Kein Schiff wird kommen
Krisenkult — so nennt der Soziologe Weston La Barre die völlig verzweifelte und irrationale Haltung eines Volkes im Angesicht einer drohenden Katastrophe. Die verloren gegangene Macht, die bessere Zeit vor dem herrschenden Grauen, muss und wird wiederkehren. Sie muss und wird es allen Umständen zum Trotz und mithilfe einer höheren Macht. Auf der Ebene der Politik und der Kriegsführung sieht man keinen Ausweg mehr. So hofft man auf den „Faktor X“. Dieser ist eine Flucht aus der Wirklichkeit in die Esoterik. Eine Flucht aus dem harten Schicksal in einen schönen, aber völlig haltlosen Traum.
Dieser Traum hat in den rechten Zusammenhängen Deutschlands viele Namen: ob vom „allgemeinen Aufwachen des Bürgers“, dem „Zusammenbruch des Systems“, einem „Tag X“, der „Wende“, oder eben „Flugscheiben aus Neuschwabenland“ die Rede ist. Das Denkmuster dahinter ist immer dasselbe. In diesem Text wollen wir diesen Denkfehler der außerparlamentarischen rechten und nationalen Zusammenhänge in Deutschland analysieren. Dies tun wir, getreu unserem Grundsatz, dass wir die Kritik an diesen Kreisen, zu denen wir uns selbst auch zählen, nicht unserem Gegner überlassen wollen.
So oft ist es in rechten Kreisen festgestellt worden, dass es schon fast eine bittere Banalität ist: Der demographische Kollaps findet statt und führt zu unserem Verschwinden als ethnische Gemeinschaft. Alle bekannten Zahlen und Daten weisen unbarmherzig auf diesen Endpunkt hin. Deutschland schafft sich ab. Alle Identitären, die unsere ethnokulturelle Identität erhalten wollen, kämpfen gegen diese Entwicklung als zentrales Problem. Ob man sich sein Deutschland nun christlich, heidnisch, groß, klein, zentralistisch, föderalistisch, aristokratisch, klassenlos, parlamentarisch, ständisch, demokratisch, autoritär, libertär, monarchistisch, kapitalistisch oder sozialistisch wünscht — jede dieser Ideen benötigt, als conditio sine qua non, das deutsche Volk als ihren Bezugspunkt. Dieses Volk ist das ewige Zentrum dieser verschiedensten staatspolitischen Möglichkeiten.
Sie sind mögliche Entwürfe für einen ganz speziellen deutschen Zukunftsweg, der mit dem Verschwinden des deutschen Volkes, jeder für sich, verworfen wäre. Dass eine kosmopolitische Gesellschaft mit breit gefächerten Migrationshintergründen nach dem langsamen Aussterben der vergreisten deutschen Mehrheit sich ex post für die deutsche Geistesgeschichte begeistert und diese, in einem kollektiven Akt, rückwirkend verinnerlichen und zumindest unsere kulturelle Identität eine Zeit lang weiterführen würde, ist äußerst fraglich. Für uns Identitäre wäre das ohnehin kein Trost. Die Weichen stehen eher in Richtung Islamisierung. Uns geht es auch nicht um das Fortleben einer bestimmten, abstrakten deutschen „Zivilisation“, sondern um den Erhalt unserer ethnokulturellen Traditionslinie, welche sich als gemeinsame Geschichte von Generation zu Generation weitererzählt.
Die meisten von uns wären heute mit Recht verzweifelt genug, jede Staatsform zu akzeptieren, würde sie nur das Weiterbestehen unserer Identität garantieren. Allen, die nicht in fanatischen Dogmen neokonservativer und nationalsozialistischer Prägung verfangen sind, ist aber klar, dass die Debatte um das “Wie” zu schweigen hat vor dem “Ob” der deutschen Zukunft. Dieses Schweigen bedeutet hier und jetzt, im Rahmen der herrschenden Ideologie, keine sinnlosen, staatspolitischen Scheinfronten aufzuwerfen, wie es die Spreelichter mit ihrer „Antidemokratenkampagne“ taten und es viele Paläo-/Neocons mit ihrem Antietatismus/-sozialismus tun, sondern das ethnokulturelle Bewusstsein um Wir und die Anderen, im Volk wachzurütteln. Die Bereitschaft dazu ist vorhanden.
Wir sind so weit, uns an jeden Strohhalm zu klammern, der uns Hoffnung gibt, jedem zu folgen, der uns eine Zukunft verspricht. Die große identitäre Einheitsfront ist psychologisch bereits geschaffen. Sie wartet voll Sehnsucht auf den metapolitischen Hornstoß, der die tausend scheiternden Grüppchen und Ansätze zur Seite fegt und eine gemeinsame Bewegung schafft. Wo die Hoffnungslosigkeit wächst, wächst auch die Bereitschaft zur Einigung und Konzentration.
Doch dieser Zustand birgt auch große Gefahren. Wo die Verzweiflung wuchert, erstickt sie oft auch jede theoretische und strategische Überlegung. Seit mehr als sechzig Jahren sind wirvon unserem Ziel immer weiter abgekommen. Unser Dasein wird Stück für Stück unwiederbringlich abgebaut. Was unter der Wohlstandsdecke der goldenen Nachkriegs-Babyboomer schon faulig war, bricht nun grindig hervor und wird von der globalen Zugluft rund um den Globus geblasen. Die Kolonisation der Einwanderer unter dem Signum des Islams vollzieht materiell das, was geistig schon vorher der Liberalismus vollzogen hatte. Deutschland schafft sich ab. Seit mehr als sechzig Jahren stehen wir in einem verzweifelten Rückzugsgefecht, macht- und sprachlos, vor diesem umfassenden Schauspiel des Verfalls.
Es ist das Jahr 1870
Wir befinden uns irgendwo in Nordamerika. Uns bietet sich ein geheimnisvolles Bild. Im flackernden Schein eines großen Feuers dreht sich ein Kreis von tausend jungen Indianern um das flammende Zentrum. Sie halten sich an den Händen und intonieren einen bedrohlichen Hymnus. Weit hallen ihre Stimmen über die Prärie. Sie beschwören die Geister der Ahnen und die Büffelherden. Sie verfluchen den weißen Mann und seine neue Religion. Dazu dröhnen die Trommeln. Der Schamane hat es vorhergesagt. Die Ahnen werden wiederkehren und die Büffel mit ihnen. Sie werden die kraftlos gewordenen Stämme mit neuer Kraft erfüllen und gemeinsam wird man die weißen Eindringlinge verjagen, alles wird wieder wie früher. Die jungen Krieger tragen alle ähnliche, verzierte Kleider — magische Hemden. Wenn man mit ihnen tanzt, machen sie unverwundbar für Kugeln, sagen die Schamanen.
Die jungen Indianer sind Teilnehmer eines Geistertanzes. Mit ihnen tanzten überall in Nordamerika tausende, oft tagelang bis zur Trance. Ein Schamane namens Wodziwob hatte diesen Kult ins Leben gerufen. In einer Epiphanie hatten ihm die Geister prophezeit:
„Wenn die Indianerstämme zu ihrer Lebensart zurückkehren und die Geistertänze praktizieren, werden sich die Seelen der Toten und die Seele des Landes in Urgewalt gegen die Weißen erheben!“
Die jungen Tänzer würden unverwundbar und siegreich sein…Ende des 19. Jahrhunderts war die biologische Ausrottung der Indianer und der Seelenmord an ihrer Kultur schon fast zur Gänze vollzogen. Von Alkoholismus und Depression gezeichnet, vegetierten sie, als Schatten ihrer selbst, in Reservaten dahin. Sie hatten den zahlenmäßig und technisch überlegenen Eindringlingen nichts entgegenzusetzen. Wie die letzte Zuckung des Sterbenden am Totenbett erschien nun die Geistertanzbewegung, die allen rationalen Erkenntnissen zum Trotz einen baldigen Sieg prophezeite.
Eine Anpassung an die neue Situation, ein kühler, verorteter Überlebensplan — dazu waren die Indianer nicht mehr imstande. Ihre Traditionen, ihre Art der Kriegsführung, ihre Sitten und Gebräuche waren ihrem Wesen so verinnerlicht, dass ihnen eine Anpassung an die neuen Verhältnisse, zu deren identitären Überwindung, nicht möglich war. Die einzig mögliche Reaktion war eine Flucht in die Irrationalität, die Esoterik, in chiliastische Endzeitphantasmagorien. Weitere Beispiele für dieses Phänomen finden sich etwa in den rituellen Massenrindertötungen des afrikanischen Xhosa-Stammes, aber auch bei Wiederbelebungsversuchen der heidnischen Religionen im alten Rom. Die Geistertanzbewegung endete mit dem Massaker am Wounded Knee.
Die Rechten tanzen einen Geistertanz
Nicht zu Unrecht wird der Ethnozid der Völker Europas oft mit dem Ende der Indianer verglichen, wenn es hier auch klare Unterschiede gibt. Die Lage erschien für alle Identitären — auch für uns — ähnlich aussichtslos. In den rechten und nationalen Zusammenhängen gebunden, mussten wir planlos mitansehen, wie unser Kampf verloren ging. Wir alle mussten mit dem ätzenden Gedanken im Hinterkopf leben, dass die Heimat jeden Tag wieder ein Stück fremder und unsere Sache ein Stück aussichtsloser geworden ist, isoliert von der Gesamtbevölkerung, ohne Geld, Einfluss und mediale Breitenwirkung. Aus diesen Gedanken und im Schatten des totalen Versagens, nämlich der effektiven Wirkungslosigkeit aller nationalen, rechten und patriotischen Bestrebungen seit dem Zweiten Weltkrieg, wuchs das klamme Gefühl der totalen Ohnmacht.
Der Krisenkult der rechtsintellektuellen Zusammenhänge
In den Theorieorganen der rechten Zusammenhänge ist man sich der eigenen Ohnmacht bitter bewusst. Man ist zu intelligent und bedacht, um in Krisenkulte zu kippen, doch auch hier bleibt eine klare Strategie zu Überwindung unserer Lage aus. Es bleibt bei einer abwartenden, vorsichtigen Haltung, die sich aus Angst vor Enttäuschungen nur noch selten aus der Höhe der Theorie in die Niederungen der Tat begibt. Aus dieser Haltung hat sich fast schon ein eigenes Lebensgefühl entwickelt, dass in seinen schlechtesten Ausprägungen den Typus des zynischen, okzidentalen Endzeit-Dandys hervorbringt, dem alles egal ist, der jeden Tatendrang weglächelt, sich in konservativer und traditionalistischer Literatur vergräbt und der nur in — meist alkoholgeschwängerten — Hassausbrüchen seine Ekel vor sich und vor dieser Zeit abreagiert.
Der beste Typus der rechtsintellektuellen Zusammenhänge hat einen politischen Existenzialismus kultiviert, der, frei nach Davila, in Würde Schiffbruch begehen will. Ein zutiefst persönlicher, antiker Kriegerethos will ein richtiges Leben im Falschen durchkämpfen, das als Geste ins Nichts gesetzt wird. Diese Haltung ist ehrenhaft und ehrlich, ihre politischer Effekt auf den Zerfall aller Dinge verpufft aber ebenso wie der blinde „Aktivismus“ des NWlers.
Hier geht es um eine grundsätzliche Frage des richtigen Handelns: Ist die Intention oder der Erfolg maßgeblich? Klar ist, dass nicht der Erfolg das ehrenhafte Handeln definiert. Das tragische Scheitern, das ewig strebend sich Bemühende ist der Grundstein für die bewegenden Mythen aller europäischen Heldengestalten. Doch die Intention des Handelns heiligt dessen Scheitern nur dann, wenn sie selbst auf den unbedingten Erfolg gerichtet war, und nicht nur eine kokette Geste, die vielleicht nur Ruhm und Erfolg im eigenen erfolg- und ruhmlosen Milieu schaffen soll. Es ist dies der bloß formelle regelmäßige, ungezielte Schuss auf die Festungsmauer, den derjenige Tag für Tag abgibt, der sich mit der Rolle des erfolglosen Belagerers abgefunden hat.
Gerade weil wir nicht mehr im antiken Griechenland oder Germanien leben, in denen eine Niederlage, ja selbst die Ausrottung des eigenen Stammes/der eigenen Polis nicht das Ende der eigenen Lebenswelt und des Kosmos bedeutete, greift ein rein persönlicher Ehrbegriff, eine reine ästhetische Stilfrage zu kurz. Unser Kampf geht eben nicht mehr nur um die persönliche Behauptung auf der Bühne einer kosmischen Ordnung. Der alte Spruch aus der Edda,
Besitz stirbt, Sippen sterben, Du selbst stirbst wie sie. Eins weiß ich: dass ewig lebt der Toten Tatenruhm.
gilt heute also nur mehr bedingt. Denn jene alte Ordnung der Dinge, in denen jene Tugenden und Werte, die die Welt selbst dem Menschen ins Herz geschrieben hat, wankt heute insgesamt. Die „Ahnen fallen vom Himmel“ und ein großer Bildersturz wirft jahrtausendealte Bedeutungsgeflechte in den Staub.
Die Idee der Ehre selbst wird vernichtet. Ehrenhaft zu leben kann heute also nicht mehr heißen im Rahmen des persönlich Möglichen, in der falschen Mitte einer vom Wege abgekommenen Gesellschaft ein „konservatives“ Leben zu führen, dass sich von Zeit zu Zeit in ohnmächtigen Gesten äußert. Die l’art pour l’art, deren Gedanke auch in der Tat um der Tat willen, der antiken Ehre lebt, wird zur geckenhaften Volte, wenn die Idee der Schönheit selbst die Kunst zerstört.
Heute ehrenhaft zu leben, heißt, vor allem für jene die die Zeichen der Zeit deuten können, gegen den großen Verfall, gegen die große Woge zu kämpfen, die alle Werte, alle Bilder, alle Götter, alle Tempel, Kirchen, Völker, Schleier, Traditionen, Familien, Grenzen und Geschlechter vernichten will. Die Intention dieser Kali-Yuga-Intifada muss die Vernichtung der Vernichtung, die Erlösung vom Erlösungswahn und der Hochverrat gegen die Verräter sein.
Diese Sprengarbeit, wie sie Ernst Jünger nannte, braucht Sprengmeister, die Lunten legen, Pulver mischen und neuralgische Punkte, Sollbruchstellen in der herrschenden Unordnung ausmachen können. Sie braucht keine bourgeoisen Selbstdarsteller, die mit effektreichen, aber wirkungslosen Knallkörpern gegen Betonmauern vorgehen. Die Intention der Tat darf also nicht nur die Tat selbst sein. Sie muss die herrschenden Ideologien, die Unordnung, die zur Ordnung geworden ist, zerstören. Die explosive Tat muss also von der Reflexion, vom Plan begleitet sein, der sie wie den gezielten Pfeil ins Herz der kulturellen Hegemonie führt.
Der Krisenkult in den rechtsintellektuellen Zusammenhängen äußert sich in der Geringschätzung der Pläne, in einer instinktiven Scheu vor politischer Theorie und kontinuierlichem, geplanten Aktivismus. Er äußert sich in einer Auswahl an allzu allgemeinen politischen Wörterbüchern, Aufsatzmappen, Sammelbänden und kasuistischen Monographien in denen die (meta-)politischen Marschbefehle Mangelware sind. Der Krisenkult der Rechtsintellektuellen ist eine Flucht ins künstlerisch Metapolitische und in die reine Tat. Damit verkennt man Gramsci, der die Metapolitik nie als Selbstzweck, sondern glasklar als Mittel zur letztlich politischen Macht über die Geschichte, d. h. den historischen Block betrachtete. Die Metapolitik ist der Umweg in den kulturpolitischen Wald, um den schweren Tross der die Straße der Politik blockiert. Wer den Wald beherrscht, beherrscht die Straße.
Doch wer Angst vor der Herrschaft und Angst vor der Konfrontation mit der herrschenden Macht hat, wer Angst hat zu scheitern und das mühsam Aufgebaute auf die Waagschale zu werfen, der endet als ewiger Waldgänger. Wer nicht dabei ist, im vorpolitischen Forst, fern vom tagespolitischen Getös der Straße, die Outlaws und Guerillas gegen den Zeitgeist zu sammeln, um mit ihnen zu gegebener Stunde aus dem Dickicht in die Flanke der kulturellen Hegemonie zu fallen, verliert seinen Status als Vordenker und Teil der Lösung. Es gehört hierzu eben auch das sacrificium intellectus, sich mit aktivistischem Fußvolk unter ein Propaganda-Banner zu scharen und die eigenen Pläne und Taten zu Strategien einer Bewegung werden zu lassen. Oder um es mit dem Bonmot eines englischen Marxisten auszudrücken:
„Wenn eine Avantgarde zu weit von der Armee, die sie zu führen meint entfernt ist, ist sie keine Avantgarde mehr, sondern ein Haufen Idioten, der durchs Unterholz stolpert.“
Ein Schicksal, dass viele selbsternannte Waldgänger heute ereilt.
Der Krisenkult der nationalen Zusammenhänge
Die nationalen Gruppen in Deutschland, deren außerparlamentarischer Flügel mit dem Überbegriff „NW“ beschrieben wird, definieren sich vor allem über ihren „Aktivismus“. Aktiv zu sein ist die viel beschworene Auszeichnung, die man allen anderen verwehrt. Den Beweis dafür sieht man in den regelmäßigen Rückschlägen durch die Repression. Diese und das totale Ausbleiben von erfolgreichen Auswirkungen auf den Lauf der Geschichte schaffen die allgemeine Krisenstimmung im NW. Man fühlte sich einem übermächtigen Gegner ausgeliefert, der nicht benennbar und greifbar ist. Hier setzte die Szenekrankheit der Verschwörungstheorien um die „ewigen Hintermänner“ ein, die sich in einer personalisierenden Liberalismuskritik, meist im plumpen Antisemitismus verlief. Widerstand und Aktivismus leistete man vor allem zur Beruhigung des eigenen Gewissens, gleichsam als politische Selbstbefriedigung.
Es ist eine Art Pflichtpensum, das man zur eigenen Seelenhygiene statt des stetigen, zielgerichteten Arbeitens an einem gemeinsamen Werk, Tag für Tag abhakt. Denn konkrete Baupläne für eine deutsche, identitäre Zukunft fehlen. Stattdessen herrscht ein abgeklärter Zynismus, eine resignative Depression, die sich von Zeit zu Zeit in manischen Hassausbrüchen abreagiert. Man blendet das Große aus und stürzt sich in lokale, taktisch überschaubare Schlachtfelder: Demonstrationen, Propaganda- und Werbeaktionen, den „Kampf um die eigene Stadt“. Doch man fragt sich niemals für welche „Sache“ genau man denn nun Leute anwirbt, demonstriert, Zeit und Geld opfert. Wohin genau führt der eigene Weg? Was ist sein konkretes Ziel? Wie soll man dorthin gelangen? Welchen Einfluss hat das eigene Handeln, ja der eben angebrachte Aufkleber, auf das Verschwinden der Völker Europas?
Auf diese Frage festgenagelt, beginnen die Vertreter der nationalen Zusammenhänge in Deutschland ihren Geistertanz. Man errichtet Wortkaskaden und hüllt alles in den Schleier des geheimnisvoll Dräuenden, unsichtbar Gärenden. Von einer „allgemeinen Bewegung“ (die aber seltsamerweise weder konkrete politische noch metapolitische Macht hat), deren „lokaler Vertreter“ man irgendwie (meist durch bloße Selbstbezeichnung) sei, wird geredet. Von Gegenmedien, vom Schaffen von Stimmungen, vom Reinhalten der eigenen Weltanschauung, von wachsender Wut, den Leuten denen es „irgendwann einmal reicht“ wird geredet — und natürlich: vom Zusammenbruch des Systems. All das kann man auf einen strategischen Kern zusammenführen, der so erbärmlich ist, dass einem schlecht werden könnte:
„Jetzt können wir erst mal gar nichts machen, aber wir erhalten, jeder in seiner Stadt, eine diffuse, strukturlose „Bewegung“ der Repression zum Trotz, irgendwie am Laufen, schulen Kader und repetieren die dogmatische „reine Lehre“, um „wenn sich die Lage ändert“ auf den Plan zu treten.“
Das ist die außerparlamentarische nationale Szene in einem Satz zusammengefasst. Der einzige Erfolg, den man nach sechzig Jahren vorweisen kann, ist recht oder schlecht „immer noch irgendwie da zu sein“ wie es viele szeneinterne Musikgruppen stolz zu E‑Gitarrenklängen verkünden. Der eigentliche Erfolg ist aber auch in diesen Gruppen, zumindest der Idee nach, das Überleben unserer Identität. (Ein guter Teil der NW-Szeneinsassen ist im Grunde ohnehin ethnopluralistisch und identitär und hängt nur aus subkulturellen Gründen und mangels alternativer Mythen, am rassenchauvinistischen, antisemitischen NS-Dogma.)
Diesen Erfolg macht man, dem obigen Grundsatz folgend, von Faktoren abhängig, die man nicht direkt beeinflussen kann. Es ist jene „Wende“ von der der NW aus seiner jetzigen, plan- und strukturlosen Phase der „Vorbereitung“ treten und zum apokalyptischen Racheengel werden soll. Diese „Wende“ ist eine psychologische Sehnsucht, die der Ohnmacht entwächst und deren Inhalt beliebig ist. Mal waren es die Atomkriege, dann die Russen, dann der Mauerfall und heute die Wirtschaft, die „das System“ „für uns stürzen“ und den NW aus seiner Lage der Ohnmacht retten sollen.
Dass ein „madmax-Szenario“, trotz der Konvergenz der Katastrophen ausbleiben wird (das geht an die versammelten Waffensammler!), dass man in der kommenden Krise nicht „aus dem Nichts auf den Plan treten wird können, und dass der Volkszorn schon seit Jahren von etablierten Parteien und der jungen Strömung der Islamkritik aufgefangen wird — all das wird konsequent ausgeblendet. Man will seine letzte Hoffnung, seinen Geistertanz, nicht aufgeben und sich der Lage stellen. Denn Nachdenken kann weh tun und deine Szene gefährden.
Der ehrlichste Ausdruck dieses traurigen Krisenkultes ist wohl das Asphaltmärchen von den Flugscheiben, die uns retten werden. Axel Stoll ist so die schnarrende Stimme, welche die eigentliche Bedeutung aller NW-Strategiemythen bei seinem Neuschwabenland-Stammtisch ausplaudert.
Eine Strategie, deren Hauptfaktor eine Unbekannte ist, auf die man keinen Einfluss hat, ist keine.
In die tödliche Kalkulation des demographischen Zerfalls wird die Unbekannte der irrationalen Hoffnung künstlich eingefügt. Je schlimmer die tatsächliche Lage, desto blumiger und herrlicher die Fieberträume. Im Endeffekt läuft, wie gesagt, alles auf einen Punkt hinaus: Ausharren bis zum Tag X, der Stunde Null – an der „es den Leuten reicht“, „das Wirtschaftssystem kollabiert“, „der Bürgerkrieg losbricht“ und „sich alles wendet“. Bis dahin heißt es weiter “aktivisteln“ zum Soundtrack einer rituellen Beschwörung eben dieser Hoffnung. Diese Strategie ist keine. Sie ist eine Aktion gewordene Resignation, die sich immer wahnhafter in esoterische Hoffnungen flüchten muss.
Deutschlands nationale Gruppen tanzen einen Geistertanz und alle machen mit. Immer schneller rotiert man um das Feuer. Immer schemenhafter verzerrt sich die Wahrnehmung, immer nebelhafter wird das Politikverständnis. Immer wieder finden sich Schamanen, die den gequälten Geistern das Märchen vom baldigen „Untergang des Systems“ erzählen, das sie so gerne hören.
Dort wo eine echte Theorie notwendig wäre, welche den Nationalsozialismus und die anderen modernen Ideologien in ihr Jahrhundert verweist, herrscht ein blumiger Pathos vor. Dort, wo eine klare Strategie zur Erreichung des Ziels vonnöten wäre, wuchern die Krisenkulte. Dort, wo eine klare Struktur und eine einheitliche Marschrichtung aufzubauen wäre, lässt man sich kraftlos ins freie Kameradschaftschaos plumpsen.
Krisenkulte raus aus den Köpfen – sich der Krise stellen
Zusammenfassend können wir folgendes festhalten: Der Krisenkult ist die Flucht in Esoterik und das Hoffen auf eine deus ex machina, welcher untergehende Kulturen befällt und ihnen die letzten historischen Sekunden, in denen eine Rettung möglich wäre, raubt. Er ist Zeichen einer fehlenden Anpassungsfähigkeit und Strategie, um das, was man bewahren will, unter den geänderten Bedingungen zu verteidigen.
Die rechtsintellektuellen Theoretiker drücken sich größtenteils um die geistige Führung und den Entwurf von bewegenden Ikonen und Strategien. Sie begnügen sich, wenn überhaupt, mit existenzialistischen Gesten und einem „würdigen Schiffbruch“. Die NW-Aktivisten stürzen sich in blinden Aktivismus und ignorieren jede Frage der Strategie (die nicht selten pathetisch als „Feigheit“ abgetan wird). Statt im Hier und Jetzt einen Weg zu finden um das Verschwinden der Völker abzuwenden, sehnt man einen „Tag X“ herbei, der in tausend Gesichtern daherkommt, aber immer nur eines meint — die eigene Ohnmacht und den Unwillen/die Unfähigkeit sich daraus zu befreien. Wie kommen wir raus aus dem Krisenkult? Zuallererst muss die Idee der Krise und des „Tag X“ zerstört werden. Walter Benjamin sagte:
Daß es “so weiter” geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene.
Die Katastrophe ist da, die Krise ist jetzt. Jetzt müssen wir aktiv werden und aufstehen. Es gibt keine zwei Phasen, die man strikt voneinander trennen kann. Eine Krise ist oft eine langsame Entwicklung, die sich über Jahre streckt. Der Ernstfall in den sie mündet und über den zu entscheiden das Ziel sein muss, ist nicht der Startschuss für ein geplantes Handeln. Es ist der Moment in dem sich das bestehende oppositionelle Potential in seiner ganzen gesammelten Kraft aufbäumt, die es nur durch gründliche und langfristige Planung erreichen kann.
Eine Krise wirkt wie ein Katalysator auf bereits bestehende Strömungen und Entwicklungen. In der Regel geht aus ihr die Gruppe, die die Ordnung aufrechterhalten kann und der die Leute die Wiederherstellung der Stabilität am ehesten zutrauen, siegreich hervor. Zu genau dieser Gruppe muss man bereits vor dem Ernstfall werden, um über ihn bestimmen zu können. Man muss also so agieren, als hätte man eine erlösende Krise nicht nötig, um sie nutzen zu können. Man muss seinen Plan so gestalten, dass eine Krise in ihm allenfalls die Wirkung eines Katalysators, eines Aufwindes hat, nicht aber der Haltegriff sein muss, den man am Trapez im Flug erfassen muss und bei dessen Fehlen man abstürzt. Es gibt zu dieser Problematik eine gute Metapher:
Stellen wir uns das politische Ziel als Küste und die politischen Gruppen als Surfer vor. Die Krise betrachten wir als Welle. Beide Surfer wollen zum Ufer. Einer paddelt langsamer, aber sicher, unter Haushaltung seiner Kräfte auf das Ufer zu, und ist jederzeit bereit, sobald die Welle kommt fest auf seinem Brett zu stehen. Der andere hat keine Ahnung wie man paddelt und zum Ufer kommt. Er hofft nur auf die erlösende Welle. Er tut so, als wäre jedes kleine Plätschern die erhoffte Welle, fällt permanent von seinem Brett, strampelt im Wasser, lässt sich zeitweise depressiv treiben, ist verzweifelt über seinen Nachsprung, was ihn noch inniger auf die Welle hoffen lässt.
Er lockt mit seinem Geplätscher nur die Haie an. Der andere wird langsam aber sicher sein Ziel auch ohne Welle erreichen. Wenn sie kommt, wird er sofort in der Lage sein, geschmeidig seinen Handlungsmodus zu ändern. Er steht sicher am Brett. Der andere aber wird das Ufer nie erreichen und droht vor Entkräftung unterzugehen. Wenn die Welle kommt, ist er — ungeübt und entkräftet — nicht rechtzeitig am Brett und wird von ihr nur wild herumgespült oder gar zermalmt werden.
Eine revolutionäre Lage, wie sie sich die NWler erhoffen, kann man nicht herbeizwingen. All diese Versuche enden in wahnhaftem Terrorismus, dessen Provenienz (neben anarchistischen Zirkeln) in den NS-Kreisen keine reine Medienerfindung ist. Sobald sich Gegensätze zuspitzen und ein Staat sein Gewaltmonopol verliert, treten diese Vorgänge von selbst ein. Bürger bewaffnen sich, Bürgerwehren werden gebildet und nach Ordnungsmächten wird gerufen. Gewalt und Gegengewalt bestimmen dann einfach ungefragt das Feld des Politischen. Wer in solchen Zeiten nur mit Argumenten auf die Straße geht, verliert.
Doch von solchen Zeiten sind Deutschland und der Großteil Europas weit entfernt. Es mag sein, dass viele einfache Gemüter sie herbeisehnen – so faszinierend und abenteuerlich, wie sie auf uns spätgeborene, gelangweilte Generation ohne Schicksal wirken mögen, werden sie garantiert nicht sein. Vor allem ist nicht garantiert, ob, wann und wie sie ausbrechen werden. Man kann eine Krise auch verschleppen. So lange, bis man vielleicht eine Lösung für sie gefunden hat. Man kann sie auch in vielen kleinen, ungefährlichen Zusammenbrüchen abbauen. Keinesfalls aber steht fest, dass ein wirtschaftlicher Zusammenbruch parallel zum ethnokulturellen Kollaps Europas erfolgen muss. Wenn wir unser ethnokulturelles Erbe erhalten wollen, wäre es also fatal, eine wirtschaftliche Krise zum bestimmenden Faktor in unserer Strategie zu machen.
Der Krisenkult ist eine Flucht vor der Entscheidung, mit der eigenen Idee ernst zu machen. Sich also hin zu setzen und konkret zu überlegen, welche Szenarien ein Überleben unserer Identität ermöglichen und wie die eigene Tat kausal für diese werden kann. Im nationalen NW-Milieu ist dies eine Flucht ins martialische, plumpe Verständnis von Macht, das nur die Gesetze der revolutionären, krisenhaften Lage kennen will. Nur auf brennenden Barrikaden, in Saalschlachten, beim Stürmen von Blockaden und beim Aktivismus auf der Straße fühlt man sich wohl. Aus diesem Grund interpretiert man alle machtpolitischen Fragen aus dieser plumpen, militaristischen Brille. Dinge die man nicht begreift, wie Metapolitik, Strategie, etc. blendet man aus. Man sehnt sich ein ganz bestimmtes Klima herbei, indem allein die eigene Vorgehensweise erfolgreich sein kann. Bis dahin hofft man, dass das aktivistische Aufbegehren „irgendwie“, „irgendwo“, „irgendwas“ bewirken könne.
Im rechtsintellektuellen Milieu findet die Flucht in die Gefilde der Metapolitik statt, wie sie Guillaume Faye in seinem Buch „Archeofuturism“ anschaulich beschrieben hat. Man schwingt sich hoch und höher auf die Wolken der Theorie und hofft mit publizistischer Tätigkeit, mit Texten und Büchern, irgendwie eine Stimmung zu schaffen, aus der Widerstand hervorgehen könnte. Dass man damit nur ein bestimmtes Milieu erhält und bedient, dass diejenigen, die man erreicht und gewinnt, oft nur eine Schreiberkarriere als Milieuerhalter anstreben, ist ein Vorwurf, der leider nicht zu Unrecht aufkommen könnte.
Beide Fraktionen brauchen einen neuen Mut zu Wahrheit, einen Willen zur schonungslosen Analyse. Wie können wir die politische Macht erreichen, um den herrschenden Verfall zu beenden, unser Erbe zu erhalten und fortzuführen? Der erste Schritt ist hier, die eigenen Strategien und Pläne einer schonungslosen Kritik zu unterziehen, die jeden Faktor X ausschließt und das eigene Ziel von Grund auf neu zu definieren.
Dieser Impuls wird, so hoffen wir, von der identitären Welle, die heute durch Europa geht, ausgelöst und in den rechten Zusammenhängen Deutschlands einiges verändern. Bei einer ernsthaften Durchsetzung dieses ersten Schrittes kann vor allem vom derzeitigen nationalen Lager nicht viel übrig bleiben. Nimmt man die Idee ernst und definiert das identitäre Ziel, die Erhaltung unserer ethnokulturellen Identität, also unseres Volkes und seiner Kultur in seiner objektiven, geistigen und materiellen Wirklichkeit, so zerfällt das NS-Dogmengebäude (das Szeneideologen und staatliche Antifaschisten um die ethnokulturelle Frage aufgebaut haben) und treibt zurück in sein verflossenes Jahrhundert.
Was bleibt von Antisemitismus, arischer Überlegenheit, Ost-Imperialismus, chauvinistischem Nationalismus, Rassenreinheitsfimmel und ariosophischer Ikonographie, wenn man hier und jetzt nichts als das Überleben unserer jahrtausendealten, dynamischen biokulturellen Identität will?
Was bleibt vom „Tag X“, vom „Erwachen des Volkszornes“, vom „Zusammenbruch des Systems“, von der „Wiederkehr der Flugscheiben“, wenn man alles, das man nicht direkt selbst beeinflussen kann, aus seinen Plänen ausscheidet?
Dies ist ein Aufruf zum Denken und Pläne schmieden. Zurück ans Reißbrett mit euch! Der NS muss verschwinden, der NW mit ihm, die Rechtsintellektuellen müssen zum aktivistischen Straßenkämpfer finden (und umgekehrt) und gemeinsam müssen sie mit einer klaren Theorie und einer eisernen Strategie zur Speerspitze einer konservativen Revolution werden, die aus ihrem Vorgänger gelernt hat. Die Zeit drängt und die Uhren ticken gegen uns. Das beschriebene Werk scheint unmöglich und unerreichbar.
Doch mit dem identitären Impuls aus Frankreich, der jenseits aller Struktur- und Organisationsfragen, vor allem eine neue Idee und ein neues Symbol für alle patriotischen, konservativen, nationalen Strömungen bedeutet, öffnet sich uns eine Lichtung im dichten Wald. Eine Lichtung, auf der wir uns unter einem neuen Mythos sammeln können, der seine Wurzeln tiefer als siebzig Jahre in unsere Vergangenheit treibt. Wir sind immer noch die Enkel der Ritter, die 732 die Araber zurückschlugen. Wir sind die Ahnen der Verteidiger Wiens und die Erben der Kultur Spartas und Athens. In unseren Adern fließt das Blut von Helden, Entdeckern, Genies und Königen. Wir leben seit Jahrtausenden in diesem Land, in diesem Europa. Unsere Vorfahren haben seine Berge und Wälder, seine Küsten und Seen benannt, wir haben es erfüllt mit tausend Märchen, Sagen, Geschichten und Erinnerungen.
Es ist das Vaterland der Vaterländer, dass allen Stürmen von außen und allen Zersetzungen von innen trotzte. Mit diesem großen, epischen Blick, sehen Identitäre auf das Gestern, Heute und Morgen. Jetzt gilt es Ruhe zu bewahren, und in der Flut des Zerfalls, in der Brandung des Wahnsinns und im Gewitter der tausend Ideen und Strömungen, den klaren Blick zu behalten. Don’t give up the ship! Auch wenn um uns herum alles jammert, tobt und planlos umher irrt. Wir brauchen jetzt die Männer, die Wut und Zorn zu eiserner Disziplin schmieden können, die kühl kalkulieren und heiß handeln können. Sie müssen sich ans Steuer stellen, die Segel raffen, den ideologischen Ballast und alle Krisenkulte über Bord werfen und unser Schiff auf Kurs bringen.
Sonst wird der Geistertanz der Rechten bald zu einem Totentanz…