Macht durch Öffentlichkeit
Als wir im letzten Jahr die Sommerakademie in Schnellroda verließen, zogen wir ein – ausnahmsweise — eher verhaltenes Resümee. Abgesehen von so manchem spannenden Gespräch und neuen Bekanntschaften wurden wir mit dem Leitthema der Akademie — “Parteienherrschaft” — nicht wirklich warm. Zu abstrakt, zu abwegig, zu pessimistisch und (selbst uns) zu theoretisch erschien der allgemeine Tenor. Es nimmt sich natürlich auch nicht Wunder, dass wir das weite, bunte Feld des metapolitischen Widerstands nur ungern gegen muffige Parteibüros tauschen wollen — eine gesunde Abneigung, die natürlich trotzdem die Notwendigkeit des parlamentarischen Kampfes anerkennt, sei uns hier zugestanden.
Nicht zuletzt deswegen ist uns dennoch ein alter Bekannter in bester Erinnerung geblieben. Thor von Waldstein, der mit “Metapolitik” bereits ein wichtiges Werk zur metapolitisch-strategischen Lage der Neuen Rechten vorgelegt hat. Mit seiner ihm eigenen aristokratischen Ausstrahlung und einem trockenen Wortwitz referierte er zum Thema “Macht und Öffentlichkeit” — er scheint es sich zur Passion gemacht zu haben, als Stichwort- und Impulsgeber einer metapolitischen Bewegung zu fungieren. Dem können wir am Funken nur mit Sympathie begegnen!
“Macht und Öffentlichkeit” ist mittlerweile auch als Kaplaken erhältlich und verdient weitergehende Betrachtung und Analyse aus neurechter Sicht. Wir werden nachfolgend versuchen, die wichtigsten Aspekte herauszugreifen, diese näher zu beleuchten und somit eine metapolitische Gesamtstrategie im Sinne der IB zu skizzieren. Wir möchten an dieser Stelle gleich betonen, dass dieser Aufsatz die Lektüre von „Macht und Öffentlichkeit“ und eine weitergehende Recherche nicht ersetzt – zu bruchstückhaft mussten wir vorgehen, um einen Überblick geben zu können. Entsprechende Leseempfehlungen geben wir am Ende des Textes.
Die Entstehung der Öffentlichkeit
Frankreich im 18. Jahrhundert: Mit dem rasanten Aufstieg des Bürgertums und dessen steigender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz bildet sich hier die Idee heraus, dass die Staatsgewalt durch die öffentliche– also im Volk und Bürgertum vorherrschende — Meinung legitimiert werden sollte. Veritas, non auctorias facit legem – die Richtigkeit, nicht die Staatsgewalt macht das Gesetz. In Kaffehäusern, Versammlungen, Salons, Vereinen, Verbänden, Universitäten und Clubs entsteht ein – im Sinne des „common consent“ von John Locke – aufklärerisch gesinnter, öffentlicher Geist. Verstärkt durch den Wegfall staatlicher Zensur und die Ausweitung politischer Publizistik erfasst dieser Geist auch die Masse des Volkes – bereits jetzt ist die Macht der öffentlichen Meinung derart groß, dass diese „ohne Waffen, ohne Leibwache, ohne Armee Gesetze gibt, die selbst im Schlosse des Königs befolgt werden.“
Was ist Öffentlichkeit?
Mit Öffentlichkeit meinen wir also den „(Klang)Raum, zu dem alle Zugang erhalten sollen, und in dem Privatmeinungen von einzelnen die Chance eröffnet werden soll, auf die Bildung der öffentlichen Meinung Einfluss zu nehmen“. Aus den hier aufeinandertreffenden Einzelmeinungen soll dann in einem freien Diskurs ein „Gesamtbewusstsein“, eine Gesamtmeinung hervorgehen, die im besten Falle das allgemeine Wohl der Bevölkerung oder zumindest einer bedeutenden Mehrheit selbiger berücksichtigt. Zumindest in der grauen Theorie. Denn ganz davon abgesehen, ob dieses “Ideal” nicht in sich schon utopisch ist — in Wahrheit konnte von einem allgemeinen und freien Zugang zur öffentlichen Meinungsbildung zu keiner Zeit die Rede sein.
Künstliche Öffentlichkeit
In der modernen Massengesellschaft wird die öffentliche Meinung primär durch die Massenmedien produziert. Zeitungen, Fernsehen, Radio und auch das Internet treten als kommunikative Vermittler auf – wo es vorher eine direkte Beziehung und Kommunikation zwischen Sprecher und Publikum gab und die Interaktion an Zeit und Ort gekoppelt war, tritt die mediale Öffentlichkeit dazwischen. Nun werden also Themen und Meinungen von einer Instanz vermittelt, die ganz im Gegensatz zum oben dargestellten Ideal nicht frei zugänglich ist und von diversen Interessengruppen besetzt bzw. beeinflusst werden kann.
Zutritt in diesen erlauchten Kreis der Telekratie und der assoziierten bzw. auf sie Einfluss übenden Gruppen erhält nur, wer es versteht, sich an ihre herrschenden – konformistisch-ideologischen — Regeln zu halten. Derart verunstaltete „Öffentlichkeit“ wird ihrer Selbstbezeichnung nicht mehr gerecht und so zu einer „Realität zweiter Hand“. Sie ist nicht mehr Sprachrohr und Druckmittel einer oppositionellen Kraft, sondern dem entgegen ein Herrschaftsinstrument der herrschenden Ideologie, dass jeglichen Widerstand von vornherein diskreditieren und unterbinden soll.
Durch eine „zivilreligiöse Aufladung“ des öffentlichen Raums steht nicht mehr die neutrale Berichterstattung und Information des Bürgers im Mittelpunkt, sondern Bekehrung. Helmut Schelsky spricht hier äußerst passend von der „Priesterherrschaft der Intellektuellen“ – Politik wird zur Religion, die wahre Lehre der öffentlichen Meinung muss vor nonkonformistischen Ketzern und selbsternannten Reformern geschützt werden – notfalls durch mediale Inquisition und sozialen Scheiterhaufen. Diese Art von „Öffentlichkeit“ hat mit ihrem aufklärerischen Ideal nichts mehr gemein.
Öffentliche Meinung – eine Fiktion
„Obwohl die meisten Menschen an diesen Schein glauben, ist die öffentliche Meinung gerade kein Spiegelbild dessen, was die Mehrzahl der Bürger denkt. Die Mehrheit täuscht sich also darüber, wie die Mehrheit denkt (pluralistic ignorance) und der Herrschaftsanspruch der Mächtigen über die schweigende Mehrheit hängt von nichts wesentlicher ab, als über die Instrumente zu verfügen, mit denen diese – im doppelten Sinne des Wortes – Mehrheitstäuschung ins Werk gesetzt wird.“
Thor von Waldstein — Macht und Öffentlichkeit
Die angebliche „öffentliche“ Meinung suggeriert der Mehrheit also, dass lediglich die Meinung der Mehrheit widergespiegelt wird – die Macht, die den Massenmedien qua dieser raffinierten Täuschung zukommt, kann in Zeiten, in denen der Mensch seine Außenwelt größtenteils durch die Medien wahrnimmt, also mit einer „Sekundärwahrnehmung“ beliefert wird, kaum überschätzt werden. Letzten Endes wirkt die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung so wie eine selbsterfüllende Prophezeiung: Eine falsche Bestimmung der Situation verursacht bei der Masse der Medienkonsumenten ein neues Verhalten und Denken, das wiederum bewirkt, dass die falsche Auffassung „richtig“ bzw. wirkmächtig wird.
Vorschub zu dieser Entwicklung in den modernen westlichen Demokratien leistete nicht zuletzt die weitreichende Vermassung des Einzelnen, der durch den Nationalstaat, die Urbanisierung, die Industrialisierung und nicht zuletzt die Liberalisierung seiner sinngebenden bzw. sinnvermittelnden Instanzen, Institutionen, Traditionen und Gemeinschaften entledigt und somit folgerichtig auf ein nacktes Dasein als Individuum zurückgeworfen wurde. Auf sich allein gestellt ist das Individuum so der Erziehungsmacht der öffentlichen Macht, der öffentlichen Meinung und der Sogkraft der Masse schutzlos ausgeliefert.
„Die Öffentlichkeit besitzt infolgedessen bei demokratischen Völkern eine eigentümliche Macht, von der die aristokratischen Nationen sich nicht einmal eine Vorstellung machen konnten. Sie versucht nicht durch ihre Anschauung zu überzeugen, sie drängt sie auf und treibt sie – mit einem ungeheuren Druck der Massenseele auf den einzelnen Geist – in die Gemüter ein. In den Vereinigten Staaten nimmt es die Mehrheit auf sich, den Individuen eine Menge Meinungen zu liefern, und enthebt sie so der Verpflichtung, sich eigene zu bilden.“
Alexis de Toqueville — Über die Demokratie in Amerika
Der eigenverantwortliche Bürger wird zum stillen Meinungskonsumenten, zum „letzten“ Massenmenschen und letztendlich zum Opfer seiner eigenen anthropologischen Gegebenheiten. Denn der Mensch ist ein soziales Gruppenwesen. Er ist darauf angelegt, in Einklang mit seiner Gruppe bzw. seiner Gemeinschaft zu leben – nur diese Disposition konnte überhaupt das Überleben der Spezies homo sapiens gewährleisten. Vereinfacht gesprochen handelt es sich beim Menschen in sozialpsychologischer Hinsicht um einen Mitläufer, der instinktive Fähigkeiten zur Früherkennung des Gruppenverhaltens entwickelt hat, um sich so vor den möglicherweise fatalen Folgen eines Ausscherens aus der Gruppe zu schützen.
Schweigespirale
Nicht anders verhält es sich auf dem Feld der öffentlichen Meinung, nur dass es sich hier – wie bereits oben skizziert – um eine Täuschung über das allgemeine Gruppenverhalten handelt. Nicht die allgemein herrschende, die allgemein herrschend wirkende – also lauteste, bestimmende – Meinung wird wahrgenommen und adaptiert. Bei Nichtzustimmung bietet sich dem Einzelnen nur noch eine Möglichkeit, um die befürchtete Isolierung zu vermeiden: Schweigen. Schweigen aber verstärkt hier nur den Eindruck der vermeintlichen Mehrheitsmeinung und somit auch das Konformitätsverhalten der Restgruppe – selbige wird wiederum schweigen oder zustimmen. Hier wird das Phänomen der Schweigespirale offenbar, wie es von Elisabeth Noelle-Neumann „entdeckt“ und herausgearbeitet wurde. Ihr zufolge handelt es sich bei der Öffentlichkeit um ein Tribunal, vor dessen Urteil sich jedes Mitglied der Gesellschaft bestmöglich zu schützen versucht.
Angesichts dieser Dynamik stellt sich die Frage, wie eine patriotische Gegenbewegung „in das Rad greifen“ und dieses auf den rechten Pfad lenken kann. Noelle-Neumann nennt hierfür schon einen wichtigen Aspekt, wenn sie sagt, dass nur „demjenigen, der Isolationsfurcht nicht kennt oder sie überwindet“, die Mittel und die Kraft gegeben sind, die Gesellschaft zu verändern. Hierauf werden wir aufbauen.
Aktivismus und Gegenkultur
Die Neue Rechte ist, das ist kein Geheimnis, von der Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Herrschaft des Verdachts lässt keinen offenen Dialog zu. Diskurs findet grundsätzlich nicht mit, sondern über sie statt – wer dies nicht glaubt, möge bei seinem nächsten Besuch in der Buchhandlung den Politikbereich näher in Augenschein nehmen; die Regale quellen geradezu über vor Anleitungen zum Umgang mit den rechten “Populisten”. Eine gezielte Beeinflussung in Richtung einer neutralen Berichterstattung, geschweige denn einer positiv besetzten Werbung in eigener Sache, ist aus bereits genannten Motiven – zivilreligiöse Aufladung, telekratisches Machtkartell – nicht möglich. Wir müssen uns den Mitteln des Aktivismus und der Gegenkultur bedienen.
Es ist außerordentlich wichtig zu erkennen, dass die Mainstream-Medien als immens wichtiger Baustein zur Legitimation der herrschenden Ideologie dienen. Nicht die Medien als Institution an sich sind der Gegner, sondern die sie kontrollierende Ideologie des Multikulturalismus. Es gilt, diese Ideologie und ihre repräsentativen Vertreter in aktivistischer Kampagnenarbeit und möglichst spektakulären Aktionen (symbolisch) anzugreifen – diese Angriffe müssen alle Regeln des Diskurses brechen, gewaltfrei und ästhetisch hochwertig durchgeführt werden, auf provokante Art und Weise die Schwachstellen der Ideologie offenlegen und die Anliegen der schweigenden Mehrheit repräsentieren.
Der mediale Komplex wird so zu einer absehbaren negativen Reaktion gezwungen, die aber letztendlich im scharfen Gegensatz zu den erzeugten Bildern stehen muss und so – kognitive Dissonanzen erzeugend — ihre ideologisch verzerrte und unleugbar voreingenommene Fratze offen und für jeden erkennbar zeigt. Durch die weit ausstrahlende und propagandistisch ausgefeilte Botschaft der Aktion wird die Schweigespirale gebrochen und das Vertrauen in die Massenmedien empfindlich gestört. Verstärkt wird dieser Effekt durch den friedlichen und gewaltfreien Akt des Widerstands, der jede Form der Repression durch Staat, Medien und Antifa ungerechtfertigt und unfair erscheinen lässt.
Ergebnis ist der Legitimationsverlust für die herrschende Ideologie. Mit wachsendem Misstrauen gegenüber den Massenmedien verliert sie so zunehmend an Macht – bester Beweis hierfür sind die heute sattsam bekannten Gegenmittel, die schon seit längerem ihre zahlreichen Blüten treiben: Von der Einführung einer indirekten Zensur via NetzDG oder Shadowban bis hin zu Phrasen und Neologismen wie „Hate Speech“, „Hetze“ und „Filterblasen“. Während also die Fundamente der herrschenden öffentlichen Meinung unermüdlich von den Aktivisten attackiert werden und langsam aber sicher erodieren, wird die bisher schweigende Mehrheit per aktivistischer „Redpill“ aus dem Mainstream ausgeklinkt und in eine bestenfalls intakte und vitale Gegenöffentlichkeit bzw. Gegenkultur integriert. Hier müssen wiederum die zu erwartenden Repressionen für die Aktivisten abgefedert, eine attraktive alternative Gegenvision erarbeitet und ein farbenfrohes Biotop für patriotische Gemüter aufgebaut werden. Dazu braucht es jeden Mann und jede Frau: Künstler, Autoren, Techniker, Designer, Hausbesitzer, Produzenten, Youtuber, Administratoren, Meme-Warrior, Unternehmensgründer, Anwälte, Handwerker, Verleger, Intellektuelle, Gelehrte, Musiker usw. usf.
Eine derart lebendige und wachsende Gegenbewegung führt den „Schweigemauerfall“ herbei, legitimiert jeden Akt des zivilen Ungehorsams und trägt somit den Widerstand in die Mitte der Gesellschaft, um hier eine metapolitische Revolution auszulösen. Die so zu gewinnende kulturelle Hegemonie ist der Schlüssel zum Erfolg der patriotischen Gegenbewegung. Um diese Entwicklung voranzutreiben, sollte sich jeder Aktivist davor verwahren, in den Chor der Meckerer und Zauderer über Volk und „Michel“ einzustimmen und vielmehr die Mechanismen des Gruppenverhaltens erkennen, analysieren und schließlich für die eigene Sache nutzen. Es gilt, der herrschenden Ideologie mutig und offensiv die Grundlage zu entziehen – ist der Bann einmal gebrochen, wird der Teufelskreis, der heute gegen uns spricht, zur patriotischen Dynamik. Alle, auch die, die nicht an dieser aktivistischen Front kämpfen können, sind dazu aufgerufen, ihre Mittel und Begabungen, ihre Visionen und Träume, ihre ganze Persönlichkeit in die Gegenkultur einzubringen und so zum Funken für das Lauffeuer der Kulturrevolution zu werden. Niemand könnte das besser zusammenfassen als Alex Kurtagic, dessen Worte sich unwiderruflich in unser Hirn gebrannt haben:
“Man wird nach sinnstiftenden Symbolen suchen, nach utopischen Tagträumen, nach neuen Formen der Romantik, nach etwas, das Ordnung und Kraft ausstrahlt, das sich aus dem Chaos heraushebt und dem Einzelnen das Gefühl gibt, Teil von etwas Kraftvollem und Mächtigem zu sein. Diese Vision mag nun übertrieben klingen aber ihre Anfänge liegen näher als man glaubt: In der Tat beginnen sie mit Stift und Papier, mit Pinsel und Leinwand, mit Gitarre und Plektrum; sie gründen auf der Fantasie, die diese Utensilien mit Leben erfüllt.”
Empfohlene Literatur
Thor von Waldstein – Macht und Öffentlichkeit
Thor von Waldstein – Metapolitik
Elisabeth Noelle-Neumann – Die Schweigespirale
Alexander Kurtagic – Warum Konservative immer verlieren