Postmoderne — Fluch oder Segen?
Nach einigen äußert dissidenten Artikeln, die vor allem die Zustände in rechten Zusammenhängen aufs Korn nahmen, wollen wir unseren kritischen Blick wieder einmal auf die herrschenden, gesellschaftlichen Umstände richten. Zuvor sei noch ein Wort an jene gerichtet, die sich durch unsere Artikel vor den Kopf gestoßen fühl(t)en. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, eben die Kritik an den Zuständen und Meinungshoheiten in unserem Lager nicht den Feinden Europas zu überlassen. Eine allzu große, unangefochtene Einstimmigkeit ist meist ein Zeichen von geistiger Erlahmung, Trägheit und eben das Resultat der unreflektieren Versammlung um Fetische oder lokale Szene-Macker. Das bringt uns nicht weiter. Was uns aber weiterbingen soll und, so hoffen wir, wird, ist folgender Artikel über das soziokulturelle Phänomen der Postmoderne.
Die Postmoderne findet sich überall. Ob in Wochendendseminaren a la “Finde dich selbst und rette die Welt”, in Eliteunis, Umwelt- und Volksparteien, Bürgerprotestbewegungen, Dorfdiscos, Uni-Debattierclubs, Kirchen, Schulklassen, Betrieben — kurz, in allen Schichten und Altersklassen wird man fündig. Das postmoderne Credo ist zum allgemeinen Bocksgesang geworden, der einem aus tausend halbgeöffneten Mündern entgegenhallt. Viel mehr als marxistische oder neokonservative Thesen sind postmoderne Stehsätze tief ins kollektive Bewusstsein eingesickert und werden von den meisten Menschen reflexartig wiedergegeben. Sie sind fest mit dem herrschenden Liberalismus und Hedonismus verzahnt und prägen das Bewusstsein des homo oeconomicus mehr als alles andere.
Wir wollen in unserer Betrachtung die Chancen und Gefahren, die von dieser Strömung für identitäre Ziele ausgehen, eingehend analysieren. Eines sei gleich vorweggeschickt: Hier liegt ein immenses Potential brach und wer sich auf die exotischen Dschungelpfade dieses Denkens einlässt, kann auf ihnen, wenn er seinen Verstand nicht verliert, sogar aus dem universalistischen Dogma der Moderne ausbrechen. Bevor wir diesen Pfaden folgen, zeichnen wir eine kurze Übersicht über das Phänomen der Postmoderne aus unserer Sicht.
Der Garten Eden der Beliebigkeit
Wir haben eingangs geschrieben, dass postmoderne Ansichten bis in die weitesten Ausläufer der Gesellschaft verbreitet sind. Um dem Wesen der Postmoderne näherzukommen, werden wir genau von diesen Alltagserfahrungen ausgehen. Die postmoderne Aporie ist es, in der heutzutage fast alle Debatten, ob in Talkshows, der großen Pause oder abends in der Kneipe enden und mit Floskeln wie “Jedem seine Meinung”, “Das muss man noch ausdiskutieren”, “Das muss man differenziert betrachten”, “Solange es niemanden schädigt, soll jeder machen was er will”, bekräftigt wird.
Die Postmoderne gibt die Rahmenbedingungen für die endlose Diskussion vor, die unser parlamentaristisches Zeitalter erfasst hat. Jeder darf mitplaudern und schwätzen, solange er keinen Anspruch stellt, Recht zu haben oder gar die absolute Wahrheit des Gesagten behauptet. Jede Aussage ist eine gleichberechtigte Meinung, über alles muss man reden können, alles ist verhandelbar, jeder hat seine eigene Wahrheit, alles ist relativ und solange man seine seelige Ruhe hat, ist eigentlich alles egal.
Diese Atmosphäre der Egalität und Subjektivität ist Gift für gemeinschaftliche Ideale, Werte und Religionen und lässt nur deren Travestie in Trends, Moden und Subkulturen zu. Alles, vom Uniformfetisch bis zur FKK, vom großen Fressen bis zur Totalaskese, von Blasphemie bis Esoterik-Kult ist erlaubt, solange es nur als subjektive “Selbstverwirklichung” betrieben wird und jeden Anspruch auf politische Wirksamkeit und Wahrheit aufgibt. Kurz: Übrig bleibt nur das, was beliebiges Konsumgut und beliebige Meinung ist. Dieser Garten Eden der Beliebigkeit, der Gut und Böse nur mehr hedonistisch, nach dem Ausmaß an Schmerz oder Lust misst, hat nur wenige verbotene Räume, die in Diskussionen meist gemieden werden. Einwanderung, Abstammung, Abtreibung, Ethnozid und natürlich der historische Schuldkomplex gehören dazu. Hier sind keine Debatten möglich. Hier wird apodiktisch jede Diskussion verboten.
Überall sonst herrscht eine scheinbare Freigeisterei vor, die in ihrer Pseudokritik immer dasselbe meint: Eine Bejahung des Status Quo als einzig möglichen. Um die Lage in einem dystopischen Gleichnis darzustellen: Das scheinbare Paradies der gleichberechtigten Diskursteilnehmer wird von den eisernen Mauern der herrschenden universalistischen Ideologie und den Gefängniswärtern des therapeutischen Staates begrenzt, die von vornherein den Rahmen der Debatten und damit auch ihr Ergebnis vorgeben. Das tun sie, indem sie gewisse Themen ganz ausdrücklich vor der allgegenwärtigen Kritik und Beliebigkeit abschirmen. Die Postmoderne übernimmt in unserer Gesellschaft die Aufgabe der totalen Kritik und Dekonstruktion. Sie ist das Ferment der ständigen Zersetzung und Emanzipation, der permanenten Mikrorevolution im Inneren der rechtstaatlichen Mauern der universalistischen Ideologie.
Enttäuschte Universalisten
Die postmodernen Freigeister sind meist enttäuschte Universalisten. Oft weist ihre Biographie eine marxisisch angehauchte Jugend auf, die sie, wie eine sanfte Woge, ins großbürgerliche Milieu der linksgrünen Rotweingürtel trug. Die heißblütige, jugendliche Anmaßung, mit Histomat und Diamat die Schleier der Welt durchstoßen und dem Weltgeist gegnübertreten zu können, zerbrach und mündete in eine große Müdigkeit. Das Fieber der totalen dogmatischen Wahrheit, zerschmolzen zu einem konzilianten, aber ebenso dogmatischen totalen Relativismus, der jede Spur von Wahrheit dekonstruieren und hinterfragen will.
Die Träume vom großen weltverändernden Aktivismus der RAF- und APO-Generationen endet in Stuttgart 21 und dem typischen Mikroanarchismus des in “Bürgerbewegungen” engagierten Mittelstandes. Der mobilisierende Hass auf die “Väter- und Tätergeneration” und der adornitische kategorische Imperativ wurde zum staatstragenden Mythos (Joschka Fischer) und zum schulmeisterlichen Kult des Ethnomasochismus. Die Hoffnung auf einen zu erkämpfenden Weltfrieden nach dem “letzten Gefecht” wurde zu einem impotenten, allgegenwärtigen Pazifismus.
Die Solidarität für den “Befreiungsnationalismus” unterdrückter Völker endet im innerdeutschen Karneval der Kulturen, dem die vergreisenden, kinderlosen Postmodernen — ihr ganzes Leben lang auf dem Selbstfindungstrip — entzückt mit Tibetfähnchen zuwinken. Die Faszination über den edlen Wilden, den Aufstand der “Verdammten dieser Erde” (Franz Fanon) gegen die weißen Herrscher der Welt kann man sich heute direkt vor der Haustür im Aufbegehren der edlen islamischen Migranten gegen täterdeutsche Rentner holen. (Wie etwa Feulliton-Ressorleiter der Zeit Jens Jenssen, der den “unterträglichen deutschen Rentnern” die Schuld an den “Zusammenstößen” gibt.)
Die großen Visionen der marxistischen Ideologien enden in kleinbürgerlichen Kreisen um den eigenen Bauchnabel. Zwar haben linke Kräfte im Zuge einer Graswurzelrevolution, die gesellschaftliche Hegemonie errungen, doch dabei haben sie die Geschlossenheit ihrer Ideologie verloren und sich in tausende kleine Stellvertreterkämpfe um Emanzipation, gegen Logozentrismus, Identitätspolitik, Rassismus, Gentrifizierung, Sexismus, Homophobie, etc. pp. diffundiert. Der Klassenkampf kann warten. Einzig den revolutionären Habitus hat man sich konserviert.
Die Mythen und Dogmen des “wissenschaftlichen Sozialismus” sind vergessen und verfemt. Der “real existierende Sozialismus” — spätestens seit “Archipel Gulag” unvertretbar. Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat der Marxismus endgültig sein Charisma des Umsturzes und unaufhaltsamen Aufstiegs verloren. Die Strömung, auf die sich die säkulare Religiosität ganzer Generationen gerichtet hatte, war ausgetrocknet. Das verleitete viele ehemalige Parteigänger dazu, den Glauben an die “großen Erzählungen” und die großen Welterklärungsversuche, die großen mobilisierenden Mythen endgültig aufzugeben. Der Glaube an einen Sinn der Geschichte und des Daseins wurde weitgehend über Bord geworfen. Ausschlaggebend dafür war die Enttäuschung über das Versagen des Marxismus, diesen Sinn durch eine geschichtliche Machtergreifung herbeizuzwingen.
Enttäuscht, aber immer noch universalistisch
Trotz allem sind die Postmodernen immer noch Universalisten. Noch immer befinden sie sich in derselben ideologischen Sphäre wie die Marxisten und die meisten Neocons. Das Endziel bleibt auch bei ihnen eine weltweit befreite, emanzipierte Gesellschaft, in der sich “die Individuen frei assoziieren” (Marx). Die eigene Ideologie soll sich also über die ganze Erde ausbreiten und so ein “Ende der Geschichte”, also ein Ende der Konflikte und Politik im totalen globalen Egalitarismus ermöglichen. Dafür sollen alle “irrationalen” organischen Gemeinschaften, Sippenverbände, gewachsenen Kulturen, Mythen und Religionen destruiert und beseitigt werden.
Nur in der Wahl des Weges zu diesem gemeinsamen Ziel unterscheiden sich die oben genannten Strömungen. Während die Neokonservativen und rechtshegelianischen Kapitalisten sich, im Geiste der französischen Revolution, vorerst mit einer de jure Gleichheit zufrieden geben und im Zuge der allgemeinen Kapitalisierung, Modernisierung und Globalisierung ihre universalistische Mission erfüllen wollen, fordern die Kommunisten eine materielle Gleichheit ein, die sie mittels revolutionärer Politik hin zur Weltmacht erreichen wollen. Beide sind bereit, für dieses Ziel, im Namen eines quasi göttlichen Rechts für die Menschheit, gegen die Achse des Bösen, die Unmenschen zu kämpfen, wobei sie eine äußert machiavellistische Machtpolitik entwickeln.
Die postmoderne Ideologie in Europa vereint Teile beider Strömungen, hat aber eine entscheidende Differenz, der auch alle gesellschaftspolitischen Unterschiede mit den USA (als deren Nachbild Europa nach dem Zweiten Weltkrieg ja hätte aufgebaut werden sollen) schlüssig erklärt. Sie glaubt, das Ende der Geschichte sei bereits angebrochen und das Zeitalter der Kämpfe und Kriege sei endgültig vorbei. Insofern steht sie in der typisch europäischen Strategie des treudoofen, ideologischen Extremismus, der keinen Universalismus erträgt ohne ihn zu Ende zu denken, keine Lüge aussprechen kann ohne sie selbst zu glauben.
Die Postmodernen neigen aufgrund ihres Hangs zur totalen, alles zersetzenden, relativistischen Kritik zur allgemeinen Orientierungslosigkeit, weswegen sie heute als ” linke Gutmenschen” oder neoliberale Bürgerliche von links und rechts ins Kreuzfeuer der Kritik geraten sind. Wenn “rechte” Islamkritiker den herrschenden, selbstzerstörerischen Multikulturalismus und Ethnomasochismus der “Linken”, ihren Ökowahn, ihre Hypermoral und ihre Dauerbetroffenheit geißeln, meinen sie damit die Postmodernen. Wenn Antideutsche einen verkappten Israelhass im Pazifismus der Linken und eine regressive Sehnsucht zur Barbariserung der Gesellschaft in ihrer multikulturellen Gleichgültigkeit gegen den Islam orten, meinen sie damit ebenfalls die Postmodernen. Und wenn orthodoxe Kommunisten die Prinzipienlosigkeit und den ideologischen Verrat der Sozialdemokratie anklagen, dann meinen sie damit — wen wohl – genau, die Postmodernen.
Es sollte allmählich klar geworden sein, dass wir diesen Begriff sehr weit dehnen. Konkret postmoderne Philosophen und Meinungsbildner dienen uns nur als Eckpunkte dieser allgemeinen, die Gesellschaft beherrschenden liberalistischen Ideologie. Dennoch wollen wir hier eine Definition versuchen:
Die Postmodernen hängen diffusen Auflösungserscheinungen marxistischer Ideologien an, die von deren totalem Universalismus in einen völligen Relativismus gekippt sind und deren ideologische Grundmuster sich von der Weltbühne der großen Politik auf kleinbürgerlich-psychologische Probleme und auf die Sprache verlagert haben.
Sie machen kurzerhand aus dem Scheitern der großen, revolutionären, universalistischen Ideologien einen Erfolg und erklären, dass ein Ende der Geschichte, eine Erfüllung der Aufklärung und Menschheitsentwicklung bereits erreicht sei. Alle Herrschaft legitimierenden Metaerzählungen seien gestorben. Die Epoche der großen Kriege, Konflikte und Grenzen sei vorüber. Sie verkünden damit den Traum aller universalistischen Ideologien als eingetretenen Status Quo.
Tatsächlich herrscht in Europa, mangels Eintritt der Verelendungstheorie und dank dem Hybrid aus Marktwirtschaft und Sozialismus sowie dem allgegenwärtigen therapeutischen Staat, seit Jahrzehnten ein “paradiesischer” Zustand des Friedens und Überflusses. Die EU — apolitisch, wohlständig, kulturell durchmischt, friedlich und sich unaufhaltsam immer weiter ausdehnend — als Blaupause für eine neue friedliche Weltordnung.
Die Wirtschaft und Technik als Garanten des Wohlstands, die in einer Allmählichkeitstheorie und mit Spill-over Effekt die Erde vereinen werden, Politik als transparente, möglichst herrschaftslose bürokratische Verwaltung dieses unabwendbaren, historisch notwendigen Prozesses und ein ständiger emanzipatorischer Diskurs in der offenen Gesellschaft, der jede Form von Herrschaft und Diskriminierung ausschaltet, gleichzeitig eine multikulturelle Folklore und Nischen der Kunst und des Irrationalismus, die auch die Freigeister der modernen Weltgesellschaft befriedigen sollen — das ist die postmoderne Vollstreckungsphantasie ihres normativen “Endes der Geschichte”, mit dem sie das Ende aller Normen verlautbart hatte.
In dieser Utopie des Friedensreichs, das nur dank des “eigentümlichen Zwangs des besseren Arguments” (Habermas) expandiert, schuf sich Europa eine postmoderne Identität, die sich sowohl den USA als auch der ehem. Sowjetunion erhaben fühlte. Die EU sollte die Krönung dieses Projekts werden.
Sie erweist sich tatsächlich als letzter Tropfen, der das Fass des postmodernen Wahns zum überlaufen bringt. Denn dass diese Phase der Beschaulichkeit, in der allein eine derartige Strömung entstehen konnte, bald vorbei ist, haben wir schon beschrieben. Ebenso, dass das postmoderne Weltverständnis nur eine Projektion der eigenen Ideologie und Erfahrung auf den Globus ist. Das altersmüde Europa sieht durch den grauen Star seiner schwachen Augen eine altersmüde Welt.
Zum säuselnden Gelaber eines Habermas, zum mahnenden Geseier eines Popper, umtaumelt von den Harlekins, wie Saussure, Butler, Lyotard und Derrida, sollte das postmoderne, kryptomarxistische, positivistische, bürokratische Europa als endgültige Krone der Aufklärung seine geschichtliche Mission, deren Antrieb der eigene Ethnomasochismus war, erfüllen.
Dabei wurde die zweitausendjährige Matrix des universalistischen Denkens keine Sekunde verlassen. So formte sich aus enttäuschten (Post-)Marxisten, opportunistischen Bürgern, 68ern, Existenzialisten, u. v. a. die in Europa herrschende universalistische Ideologie der Moderne, die, mit dem postmodernen Dreh vom Ende der Politik und Geschichte, vorgab, ungeschichtlich, unpolitisch, ja gar keine Ideologie zu sein.
Sie hat keine großen Anspürche mehr an die Welt, will keine großen letzten Gefechte mehr. Sie ist von der Endgültigkeit und Abgeschlossenheit ihrer Entwicklung überzeugt. Man ist in der bestmöglichen, freiesten Gesellschaft, die ein Vorlaufmodell zum Weltstaat ist. Der Fortschritt der Technik und der ökologischen Wirtschaft wird ein multikulturelles Weltparadies erzeugen und die frohe Botschaft vom Ende der Geschichte langsam aber sicher über die ganze Erde verbreiten. Dabei grenzt man sich zu Dystopien à la Orwell scharf ab. Eine absolute Vielfalt, eine Entfesselung des Individuums, eine bunte Welt soll es werden!
Die wabernde Masse der Hedonisten, Ökoasketen, Pazifisten, Eso-Freaks, antirassistischen Bürgern, Friedensdemonstranten, Bioladeneinkäufer, evangelikalen Christen, Dalai-Lama-Jüngern eint aber dennoch ein gemeinsamer Nenner: Totaler Werterelativismus, Hedonismus und Egozentrismus. Spaß und Fun um jeden Preis und für jeden Geschmack. Aber ja kein Wert der höher steht als das Leben und der lüsterne Leib selbst. Ihr Credo: Absoluter Liberalismus, bis dahin “wo die Freiheit des Anderen anfängt”.
Dass man mit einer derart atomisierten, wehleidigen, gleichgültigen Masse keine westliche Zivilisation, ob nun als Erfüllung oder Keimzelle der Aufklärung, verteidigen kann, das spüren wir deutlich. Schon der Wind vor dem Gewitter der kommenden Krisen lässt einen Kontinent erbeben. Die postmoderne Ideologie ist derart weltfremd und suizidal, dass sie keine einzige der kommenden Lebensfragen wird lösen können. Darin sind sich antideutsche und neokonservative Kritiker einig. Beide bekämpfen sie heute die postmodernen Gutmenschen aus verschiedenen Gründen. Denn das Projekt Friedensweltmacht, das Projekt herrschaftsfreier Diskurs weltweit, das Projekt Ende der Geschichte wird heute von der Geschichte selbst als Utopie gerichtet.
Bevor wir zum nächsten Punkt übergehen eine kleine Zusammenfassung:
Die neue postmoderne, liberalistische Identität Europas, die das Gift der Dekadenz der totalen Kritik und des Relativismus bis ins letze Bergdorf, bis ins jüngste Hirn gepumpt hat, führte zu einer moralischen, demographischen und politischen Katastrophe, wie sie dieser Kontinent und seine Völker noch nicht erlebt haben. Es scheint so, als würde Europa an der bitteren Pille des american way zugrunde gehen und mit demselben Fanatismus, mit dem es im zwanzigsten Jahrhundert Ideologien nachjagte, nun in der universalistischen, postmodernen Ideologie lustvoll den Ethnozid begehen. Damit richtet sich der zerstörerische Trieb des Universalismus in seiner vorläufigen Endform direkt gegen sich selbst statt den Rest der Welt.
Kein gemeinsames Ideal hält die jeweiligen europäischen Familien und Völker, geschweige denn den Kontinent als Ganzes, noch zusammen. Keine Sinnstiftung verleiht den Willen und die Kraft sich fortzupflanzen, geschweige denn eine Hochkultur hervorzubringen oder sich zu verteidigen. Der Tod Gottes, also der Tod der universalistischen Ideologien endete im totalen bürokratisch verwalteten Nihilismus. Mit dem Niedergang Europas und seiner Völker gehen aber auch alle seine Hoffnungen darauf, das Ende der Geschichte um- und durchzusetzen baden — was Rechts- und Linkshegelianer in helle Aufregung versetzt.
Der Suizid Europas wird von linken und rechten Universalisten als quasi antisemitischer, reaktionärer Akt gedeutet (es stiehlt sich aus seinem pflichtschuldigen Verantwortung zur Verteidigung Israels und zur Unterstützung der Aufklärung davon). Sie führen deshalb beide seit einiger Zeit einen geistigen Krieg gegen die herrschende, verfilzte wie heterogene Masse der postmodernen Zivilgesellschaft, die sich als in sich unreformierbar und unbelehrbar erwiesen hat.
Gegen den totalen Relativismus behaupten sie sich auf der universalistischen Wahrheit von Dogmen wie dem Menschenrecht, der europäischen Zivilisation, der westlichen Aufklärung und der Mission zur Weltverbesserung. Die Frage lautet nun: Sollen wir als Identitäre mitkämpfen und wenn ja auf welcher Seite? Hierzu werden wir, von ihrem gesellschaftlichen Niederschlag zurückgehend, die für uns interessanten Aspekte der postmodernen Ideologie näher beleuchten, ohne dabei, das Versprechen gilt, allzu hochtrabend philosophisch werden zu wollen. Als erstes behandeln wir den negativen Aspekt der postmodernen Philosophie, der auch die negativen Aspekte der heutigen Gesellschaft ausmacht.
Der Fluch des Relativismus
Wie bereits erwähnt, verkündete die Postmoderne mit dem Philosophen Lyotard, der diesen Begriff in dem Sinne erstmals gebrauchte, das “Ende der Geschichte”. Man befinde sich in einer Zeit, in der keine Religionen und keine religionsartigen Ideologien mehr Herrschaft legitimieren könnten. Die Welt ist ein Nebeneinander von zahlreichen gleichberechtigten Diskursen, die nur durch einen selbstherrlichen Machtakt, einem bestimmten Diskurs (konkret dem kolonialistisch-westlichen) untergeordnet werden könne.
Der hier anklingende Relativismus machte aber nicht auf der Ebene der Kulturen halt, sondern drang bis in die kleinsten Gemeinschaften, am Ende bis ins Individuum selbst vor. Wahrheit und gerechte Herrschaft wurde völlig verworfen. Vom Ausgangspunkt des nackten einzelnen Subjekts wurden alle Ideen, Begriffe und Traditionen einer ätzend und zersetzenden Kritik unterzogen, die sich des Dekonstruktivismus bediente.
Dabei wurde aber, wie oben bereits angedeutet, ständig auf sich selbst und die eigene Sprache reflexiert und eine psychologische Ebene kaum verlassen. Es ging weniger um die Herrschaft in der Gesellschaft als die Herrschaftsmechanismen in der Sprache – den Logozentrismus. Auch die Bedeutung einzelner Wörter wurde hinterfragt, ihre Zuordnung zu Dingen als anmaßende Vergewaltigung der Welt verdammt.
Ja, die Identität des Einzelnen wurde zu einer ungerechtfertigten Setzung, die im Namen der Emanzipation kritisiert werden müsse. Nur noch ein loses diffuses System von Verweisen und Relationen, eine uneinholbare, unbenennbare Masse an Eindrücken lässt das postmoderne Denken bestehen. Nichts ist wahr, nichts ist aussagbar. Auch die Naturwissenschaft wurde über Denker wie Kuhn, Feyerabend u. a. zur bloßen Möglichkeit der Weltbetrachtung, die sofort auf ihre Machtaussübung hin kritisiert werden muss.
Herrschende Normen erscheinen dem Postmodernen, der seinen Geist in die endlosen Tiefen des Relativimus geworfen hat, nur mehr lächerlich und mit wahrhaft zynischer Grausamkeit unterwirft er sie dem Hammer der Dekonstruktion. Es gibt gar keine Wahrheit, auch keine Natur mehr. Alles ist subjektive menschliche Konstruktion, die ein Verbrechen gegen das Postulat der totalen Gleichheit darstellt.
In der nach dem Tod Gottes und dem Ende der Geschichte herrschenden, völligen Bindungslosigkeit war es ein leichtes, die Trümmer, die von Anthropologien und Staatstheorien der alten universalistischen Ideologien übriggeblieben waren und noch eine Prägung von organischer Ordnung aufwiesen, wegzuräumen. Waren doch ihre zentralen Ideen und Mythen vernichtet, weil nunmehr kritisierbar. Die totalen Wahrheitsansprüche und Beteuerungen des Universalismus, die er dogmatisch fixiert hatte, brachen zusammen und wurden an allen Dingen grausam vollzogen.
Wenn nicht einmal mehr die zentralen Wahrheiten der europäischen Geistesgeschichte unkritisierbar waren, so musste alles falsch sein. Hatte die Revolution der religiösen, christlichen Wahrheitsansprüche diese noch durch die universale Vernunft ersetzt, so mündete das Ende der materialistischen Manifestationen des Universalismus, des revolutionären Marxismus, im irrationalen Nichts.
Im Zuge der Sprachphilosophie, bei der sich die Philosophen Saussure und später Derrida hervortaten, verstummte die postmoderne Denkerwelt vor der Vielfalt der Dinge und der Begrenztheit der Begriffe — es verschlug ihr die Sprache und sie trudelte in einen infiniten Regress der selbstbezüglichen Relativitäten, die letztendlich die Grenze zwischen Metapher und Sprache, Wahrheit und Dichtung, Leben und Spiel gänzlich aufhoben. Unter dem Einfluss von Butler u. a. richtete sich die postmoderne Kritik gegen den Körper selbst und brachte die Genderideologie hervor.
Als letztes Ziel wählte sie die menschliche Identität, die sie mit der selben apodiktischen Nonchalance für erledigt erklärte wie vorher das Ende der Geschichte. Die körperlichen wie geistigen Grenzen des Einzelnen wurden dem Schwefelbad der Kritik unterzogen und hinterließen die zerrissenen Individuen, die sich uns heute überall präsentieren. Familie, die Kultur, die Tradition und die Religion, alle identitären Restbestände, die Jahrtausende des Univeralismus überlebt hatten, wurden dabei gleich mit kassiert und vernichtet.
Direkt proportional zur relativistischen Vernichtung der Werte und zur Entwurzelung der Menschen stieg die empfundene Sinnlosigkeit und der Bedarf nach hedonistischer Ablenkung. Der Staat hatte Mühe sich dem gallopierenden Verfall von Traditionen und Werten anzupassen und drang mit Verrechtlichung und Bürokratisierung in die dekonstruierten Lebensbereiche vor. Der totale, therapeutische Staat betreute fortan fast rund um die Uhr die postmodern Ich-geschädigten, atomisierten, selbsthassenden Subjekte.
Letztlich presste der totale Relativismus, dessen einziger inner Zusammenhalt die Regeln des Marktes bedeuteten, Europas Substanz bis auf den letzten Tropfen aus. Ein Schutzwall der Tradition und Moral nach dem anderen wurde in der unermüdlichen Wühlarbeit der linken Postmodernen genommen. Von der Abtreibung über die Sexualisierung, die antiautoritäre Erziehung bis hin zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Nur der Legalisierung der Pädophilie wird wohl der Ethnozid oder die Wiedergeburt Europas zuvorkommen.
Der totale Relativismus der Postmodernen stammt aus den universalistischen Ideologien und wurde durch ihr Absterben völlig entgrenzt und entfesselt, wie im Freimaurertum und der französischen Revolution der religiöse Egalitarismus des Christentums aus seinem metaphyisch-staatlichen Gehäuse. Die Postmodernen wollten den von Marx und allen universalistisichen Ideologien vor ihm prophzeiten Zustand der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, der freien Assoziation der Individuen radikal zur Wirklichkeit machen.
Er diente nicht mehr einem im wesentlichen herkömmlichen Vehikel-Staat wie etwa der UdSSR (was Familie, Moral, Hierarchie usw. betrifft) als Parole sondern sollte materiell verwirklicht werden. Der Totalität der Herrschaft in den Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts wurde eine Totalität des Irrationalen gegenübergestellt. Der völligen Aufladung, ja Überladung mit Bedeutung und historischer Pflicht wurde eine völlige Erschlaffung und Geschichtslosigkeit, eine kosmopolitische Traumwelt entgegengesetzt. Gleich blieb nur der universalistische globale Rahmen, indem diese Ideen von der Welt projeziert werden.
Die Postmodernen sehen in der Unhintergehbarkeit der Sprache, ihrer konstitutiven Macht, der totalen Willkür aller gesellschaftlichen “Konstruktionen” und der Notwendigkeit ihrer “Destruktion” eine universale Notwendigkeit, die unaufhaltsam global vollstreckt werden soll. Sie wollen am Ende das Gleiche wie die Marxisten, Neocons, Islamisten und die meisten Christen — eine totale Welthegemonie ihrer Aufassung der Welt.
Hier liegt auch ihr innerer Widerspruch begraben. Denn auch das Ende aller Metaerzählungen ist selbst wieder eine Metaerzählung. Auch die Behauptung der totalen subjektivistischen Konstruktion der ganzen gesellschaftlichen Realität ist eine Herrschaftsausübung und Anmaßung, wie es jeder Student, der nicht ins Schema F passt, Tag für Tag an der Uni erleben kann.
Der totale Relativismus, den man auch als endgültige Seins- und Selbstvergessenheit deuten könnte, hat Europa gründlich verdorben. Er schafft das spöttische, altkluge Klima, das Gift für das Aufkommen neuer Mythen und Ideale ist. Die letze Wahrheit findet das postmoderne Subjekt meist nur mehr im nackten Hedonismus, der als unausweichlicher Endpunkt auf jeden an der Talsohle des Relativismus lauert.
Die totale Freiheit und Bindungslosigkeit, das Kippen in einen Irrationalismus, das Wälzen von psychologisierten Pseudoproblemen, Sprachspielen und Diskursanalysen machte tatsächlich den Weg frei für eine Clique an positivistischen Sozialtechnikern (Popper) und Bürokraten, die das postmoderne, liberalistische Gesetz des Egalitarismus und der Dekonstruktion aller Werte betriebsmäßig vollstrecken.
Echte Gesellschaftskritik, nicht einmal die marxistische Pseudo-Gesellschaftskritik, ist aus dem schwerelosen Äther, indem sich postmoderne Ideologen befinden, schlechterdings möglich. Kritisieren sie doch unermüdlich jede Form von Gemeinschaftssinn und jede Hierarchie, sowie jeden Mythos als “Identitätspolitik”. Es erscheint für sie fast unmöglich, klar im Namen irgendeiner Identität, irgendeiner Forderung aufzutreten. Gerademal ein “strategischer Universalismus” und eine strategische „pro-forma-Identität“ wird von postmarxistischen und postmodernen Ideologen wie Mouffe, Laclau und Butler gewissen Minderheiten zuerkannt, um einen emanzipatorischen Diskurs vorantreiben zu können.
Das heißt im Klartext: Eigentlich ist ja jede Form von Gruppe, Bewegung und jede Bezeichnung eines Individuums mit bestimmten Eigenschaften, eine Anmaßung und Herrschaftsausübung — dennoch soll das in einigen Fällen erlaubt sein, wenn es nur zur weiteren Emanzipation, also zur Herausschälung des nackten Ichs aus den kulturellen und ethnischen Bindungen dient. Ein ähnliches Zwiedenken weisen die Postmodernen beim Begriff der Menschenrechte auf, der, obwohl der totalste Universalismus von allen, als notwendiges Axiom vorausgesetzt wird.
Das Geheimnis der radikal subjektivistischen und relativistischen Position der Postmoderne ist, dass sie im Grunde bloß eine Spiegelung des totalen Wahrheitsanspruchs des Universalismus ist. Wenn dieser vorgibt, alles mit einer Feldtheorie schlüssig erklären zu können und demzufolge als politische Ideologie alles auf einen Nenner angleichen will, kann die Postmoderne nichts mehr erklären, keine Gemeinsschaft, keine Herrschaft, keine Identität mehr akzeptieren und rechtfertigen.
Ihr fehlt der Glaube an die abstrakten Dogmen des Universalismus — somit bleibt ihr am Ende ein stummes Nichts. Dass dennoch die westliche Befriedungsmission der Erde von Europa verschämt, aber mit Nachdruck betrieben wird, liegt daran, dass sich die Postmoderne vor allem in psychologisierten Pseudoproblemen und einem hedonistischen Müßiggang auswirkt. Ihre endgültige Konsequenz wäre ein stummer Suizid.
Für sie sind Dinge entweder absolut und unbestreitbar wahr — oder völlig beliebig. Einen Zwischenzustand gibt es nicht. Die Dinge sind entweder total wahr und damit materiell (wie es noch der Marxismus postulierte), oder sie sind völlig subjektive Konstruktionen. Beispielhaft dafür sind etwa die Argumentationsmuster zur Dekonstruktion der “Geschlechterverhältnisse”.
Mit dem Verweis auf verschiedene Verhältnisse der Geschlechter in verschiedenen Zeiten und Kulturen werden ihre konkreten Ausdrucksformen relativiert. Indem ihre fehlende, statische absolute und naturhafte Wahrheit so entlarvt wurde, werden sie im nächten Schritt total aufgehoben — die Genderideologie entsteht. Dass immer und überall ein unterschiedlich ausgestalteter allumfassender Unterschied zwischen den Geschlechern bestanden hat, wird unter den Tisch gekehrt. Der wahre Antrieb ist auch nicht, das Wesen der Geschlechter und ihre Beziehung zu erkennen, sondern über Relativierung und Dekonstruktion alle Schranken zu beseitigen, die dem Einzelnen in seinem Hedonismus irgendwie im Wege stehen könnten.
Der Postmoderne geht an die Welt mit einem universalistisch-fordernden Blick, aber mit voller Ehrlichkeit heran und sucht nach absoluten Wahrheiten. Da er sie natürlich nicht findet ist sie ihm eine völlig falsche, uneinholbare Projektion, innerhalb derer sich allenfalls noch vage Relationen festmachen lassen. Der Diskurs, als materieller Niederschlag dieser Nicht-Erkenntnis, soll jede Form von Herrschaft ersetzen. Das totale, allumfassende Nein zu jedem Wert im allgegenwärtigen Relativismus der Postmodernen, (der selbst bereits zu einer Ideologie samt passender Staatsform geronnen ist) vollzieht heute in Europa das, was es auch auf philosophischer Ebene tut – es vernichtet sich selbst.
So wie z. B. Poppers kritischer Rationalismus sich nicht selbst begründen kann und der Satz “Es gibt keine Wahrheit” performativ seine eigene Geltungsgrundlage vernichtet, so zerstört der Liberalismus und Relativismus die Lebensgrundlage des Menschen: Die Gemeinschaften. Wie sich der Relativismus philosophisch vernichtet, so vernichtet der postmoderne Liberalismus die Gemeinschaft, der er innewohnt. Er ist ins sich eine System und Betrieb gewordene Verneinung des Bestehenden, ohne auf eine anderes Ideal hinzuweisen. Kritik ist ihm Kunstform geworden, Verhöhnung von Idealen und Religionen zum liebsten Hobby.
Doch die absolute Wahrheit der heroischen Epoche der universalistischen Ideologien wird von der Postmoderne nicht überwunden, indem sie sie ad acta legt. Sie kehrt in der Totalität des Relativismus und der totalen Selbstvernichtung und Entfremdung des Einzelnen wieder. Dieser Totalität kann der Postmoderne nichts mehr entgegesezten. Er kauert nackt, stumm, frierend und ohne Vermittlung am Rand des Seins. Er versteht sich selbst nicht mehr.
Denn der postmoderne Liberalismus leugnet seinen eigenen Ideologie-Charakter. Er leugnet, dass das “Ende aller Mythen” selbst ein eigener Mythos ist und ist in dieser mangelnden Distanz zu seinen eigenen Postulaten in totaler Verblendung verloren. Eine Verblendung, die nur die harte und bittere Realität, die eben kein reines gesellschaftliches Konstrukt ist, zerschlagen kann. Im Kleinen in Form einer “kulturellen Bereicherung” in der U‑Bahn und im Großen in der Rückkehr der Geopolitik und dem Scheitern der Fortschrittsideologien.
Das Dasein selbst kann nur in und mit seiner Bejahung gelebt werden! Das größte Ja zum Leben und zur eigenen Identität ist der Wille, dass sie weiterbestehe. Es ist die Fortpflanzung und Weitergabe der eigenen Kultur. Beides ist verpöhnt im postmodernen Europa, in dem Mutterschaft als “soziales Konstrukt” (Badinter) abgekanzelt und dekonstruiert wurde, Abtreibung eine soziale Errungenschaft und Ethnomasochismus erste Bürgerpflicht ist.
Der Relativismus der Werte, der nichts Höhreres als das eigene Ich und seine Befindlichkeiten erkennen will, ist der größte Feind Europas. Er ist das dekadente Gift, das zum kollektiven Ehtnozid führte und uns zur Multikultizone, zur weltweit verlachten Kolonie wehleidiger Lustgreise und überfetteter Einzelkinder werden ließ. Er ist das Gift und die Gefahr der Postmoderne — verstanden als Tod und Ende der großen, selbstbewussten universalistischen Ideologien.
Dieser Relativismus vernichtet all jene zentralen Werte, die eine Gemeinschaft zur Existenz benötigt und lässt nur eine hedonistische Konsumentengesellschaft unter dem Banner des Ethnomasochismus zurück. Alle Beteuerungen über die historisch einmalig lange Friedenszeit in Europa, den großen Wohlstand und die große Freiheit verblassen vor der Tatsache, dass seine Völker sich kulturell und biologisch selbst abschaffen. Es ist eine Ordnung zum Tode. Eine bürokratisch verwaltete Selbstentfernung. Die Friedensruhe Europas ist eine Grabesstille, die Vorherrschaft des Ökonomischen über das Machtpolitische ist seine Impotenz.
Die oben genannten Jubelphrasen gleichen der “Freude” eines frigiden Einsiedlers über ausbleibende Beziehungsprobleme und Liebeskummer oder eines siechenden, bettlägrigen Sterbenskranken über mangelnde Abnutzung seiner Gelenke. Der Wille, sich über das Nichts des Relativismus zu erheben und dem Leben einen Sinn zu stiften, ist kaum mehr, nicht einmal in seinen subjektivistischsten Ausprägungen, vorhanden.
Nietzsche hat diesen Zustand prophetisch vorhergesehen. Mit der Entfernung des dogmatischen Korsetts der universalistischen Ideologien, welches ihre Staats- und Wertordnungen stützte, sackt die willenslose Sklavenmoral eines ganzen Kontinents ins tiefe Nichts. Wer seit Jahrtausenden Sklave abstrakter, kategorischer, universaler Dogmen und Pflichten war, lernt den aufrechten Gang schwer von alleine. Die postmodernen Relativisten sind die letzten Menschen, denen Nietzsche sein “Frei wozu?” entgegenruft. Es sind die, die aus dem Leichnam des toten Gottes ein Denkmal wider alle Denkmäler gemacht haben.
Die Postmoderne ist quasi der Selbstzerstörungsmodus der Völker Europas, die keine andere Identität kennen als die, Vehikel universalistischer Ideologien zu sein. Mit dem Ende dieser großen Erzählungen haben sie ihre Schuldigkeit getan und erzählen lustvoll ihren eigenen, elenden Tod.
Das Ziel identitärer Kräfte muss der entschiedene Kampf gegen den gemeinschaftszersetzenden Ich-Kult und die ikonoklastische Wirkung des Relativismus und der Postmoderne sein, da wo sie unser ethnokulturelles Erbe bedroht. Aus der zeitlichen und ethnospezifischen Kontingenz unserer Perspektive ergibt sich nicht, dass die Natur nur eine konstruierte Projektion ist. Aus der Erkenntnis, dass die Sprache die Welt eines Ethnos bildet, indem sie die ihn umgebende Welt beschreibt, ergibt sich nicht die totale Relativität und Willkür – die beredte Sprachlosigkeit der Postmoderne.
Abstrakt gesagt: Aus der Geschichtlichkeit unserer Perspektive auf die Welt und damit unserer Wahrheit ergibt sich nicht die Inexistenz von Wahrheit. Dass die Postmodernen beides untrennbar verbinden und eine striktes Entweder-Oder-Denken aufweisen (Universalismus oder Relativismus) zeigt ihr universalistisches, dogmatisches Verständnis von Wahrheit, das alle anderen Auffassungen von Wahrheit verwirft, weil sie nicht seinen unausgesprochenen Axiomen entsprechen.
Wir müssen die hedonistischen, gleichgültigen Stehsätze der postmodernen Jünger in ihrem nichtsagendem Hedonismus entlarven, wo wir sie treffen. Die Freiheit hört eben nicht erst da auf, wo die “eines anderen anfängt”. Nicht alles was erlaubt ist und Lust bringt ist gut. Alles anzuzweifeln und zu hinterfragen ist keine Tugend und kein Zeichen von Intelligenz, sondern von Feigheit und Prinzipienlosigkeit.
Nur weil diese Haltung möglich ist, heißt es nicht, dass sie gut ist. Jeder muss sich ihre direkten politischen und gesellschaftlichen Folgen vor Augen halten und seine eigene Verantwortung dafür erkennen. Denn jeder einzelne, der sich in den postmodernen Hedonismus fallen lässt, der sein Gehirn auf die niedrigen Schwingungen der Gleichgültigkeit einstimmt und seinen IQ dem lauwarmen Badewasser der intellektuellen Seniorengymnastik angleicht, macht sich mitschuldig.
Gerade wir Studenten an der Uni dürfen uns nicht in die Beliebigkeit der Wissens- und Bildungsmaschinerie einbauen lassen und wie “Müßiggänger im Garten des Wissens” (Nietzsche) von einer duftenden Blume zur nächsten flanieren und Forschungsgebiete nur nach Prestige oder “Unerforschtheit” wählen. Das Leben ist kein Sprachspiel. Die Geschichte ist nicht zu Ende. Die Welt ist keine multikulturelle Friedensgemeinschaft.
Es gibt eine Wahrheit, auch wenn sie jenseits des totalen Universalismus und des totalen Relativismus liegt. Sie liegt in unserem Dasein selbst verborgen. Wir wollen uns von den Fesseln eines lähmenden Universalismus, der nur abstrakte Pflichten, totale Wahrheiten, Menschheit, Fortschritt, totalitäre Vernunft, Bürokratie und globale Expansion kennt, befreien. Doch wir gehören nicht ins Lager jener “Freigeister”, über die Nietzsche mit atemberaubender Brillianz und Klarheit urteilt:
In allen Ländern Europa’s und ebenso in Amerika giebt es jetzt Etwas, das Missbrauch mit diesem Namen treibt, eine sehr enge, eingefangne, an Ketten gelegte Art von Geistern, welche ungefähr das Gegentheil von dem wollen, was in unsern Absichten und Instinkten liegt,—nicht zu reden davon, dass sie in Hinsicht auf jene heraufkommenden neuen Philosophen erst recht zugemachte Fenster und verriegelte Thüren sein müssen. Sie gehören, kurz und schlimm, unter die Nivellirer, diese fälschlich genannten “freien Geister”—als beredte und schreibfingrige Sklaven des demokratischen Geschmacks und seiner “modernen Ideen”: allesamt Menschen ohne Einsamkeit, ohne eigne Einsamkeit, plumpe brave Burschen, welchen weder Muth noch achtbare Sitte abgesprochen werden soll, nur dass sie eben unfrei und zum Lachen oberflächlich sind, vor Allem mit ihrem Grundhange, in den Formen der bisherigen alten Gesellschaft ungefähr die Ursache für alles menschliche Elend und Missrathen zu sehn: wobei die Wahrheit glücklich auf den Kopf zu stehn kommt! Was sie mit allen Kräften erstreben möchten, ist das allgemeine grüne Weide-Glück der Herde, mit Sicherheit, Ungefährlichkeit, Behagen, Erleichterung des Lebens für Jedermann; ihre beiden am reichlichsten abgesungnen Lieder und Lehren heissen “Gleichheit der Rechte” und “Mitgefühl für alles Leidende,”—und das Leiden selbst wird von ihnen als Etwas genommen, das man abschaffen muss.
Die Postmoderne-Universalisten sind nur die lallenden Harlekine im Lager des Universalismus, die eine neue globale Totalität des Relativismus schaffen wollen. Doch wir erkennen auch die große Chance, die in ihrem Ansatz steckt und die uns zum heimlichen Vater der Postmoderne führen wird. Ebenso werden wir erkennen, dass, wie es der Volksmund sagt, Narren oft die Wahrheit kundtun, und im postmodernen Farbenreigen auch die Schwachstelle der herrschenden Ideologie und des westlichen Universalismus ausgeplaudert wird. Im zweiten Teil unseres Beitrags werden wir uns der Chance des Relativismus widmen. Ach ja — an alle, die tatsächlich bis hierhin gelesen haben ein herzliches Dankeschön und Respekt. Dieser Artikel sprengte etwas den Rahmen.