Solidarität 2.0
Warum jetzt das Thema Solidarität?
Erstens, Solidarität wird auch von unseren Gegnern, die Betreibern des Großen Austauschs als Argument angeführt, und sollte uns in ihrer Asymetrie interessieren ( Siehe hier auch Lichtmesz’ großartiges Wort von der Hierarchie der Opfer https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/reihe-kaplaken/38119/die-hierarchie-der-opfer).
Zweitens, die Identitäre Idee der Bedingtheit der Person durch Sprache, Herkunft und Tradition hat auch hier eine ihrer Weiterungen. Sie bietet nämlich eine inkludierende Solidarität, egeal, ob man frau, schwul oder sogar Arbeiter ist. Denn die Heimat als der Ort der Selbstverständlichkeit (siehe dort http://der-funke.info/aus-der-ferne-von-der-unverstaendlichkeit-der-heimat) , bleibt solange unauffällig, bis diese Selbstverständlichkeit in Frage gestellt wird, und genau dies tut ja der Große Austausch. Dies ruft auch die Frage nach den jeweiligen Loyalitäten auf, oder eben der Solidargemeinschaft, und was ich jeweils dafür halte. Wem schenke ich mein Vertrauen, meine Solidarität?
Beim jüngsten Streik der berliner öffentlichen Verkehrsbetriebe habe ich mich gefragt, warum ich nicht solidarisch sein möchte mit den Streikenden. Der Hintergrund ist, dass ich Solidarität aus der reinen Überlegung des Eigennutzes immer als rationales Verhalten gesehen habe, aber das war gestern weg dieses Empfinden, also habe ich angefangen mit Gedanken darüber zu machen, was Solidarität denn nun eigentlich ist.
Solidarität früher
Vorneweg, wir müssen unterscheiden zwischen praktischer Solidarität und symbolischer Solidarität. Wenn es um Streiks geht, ist in der BRD jede praktische Solidarität verboten, kein Generalstreik, jeder streikt für sich allein und nur während des Tarifkonflikts. Also heißt Solidarität in der BRD immer Grußadressen-Solidarität, die öffentliche Äußerung, dass man solidarisch ist. Was das in heutigen Social Media Zeiten heißt, dazu komme ich noch. Ich sage im Folgenden immer Arbeiter, denke aber die Angestellten da mit, die Unterscheidung hat hier wenig Sinn.
Was ist die Idee hinter (praktischer und symbolischer) Solidarität? Die zugrundeliegende Überlegung ist, dass die unterschiedlichen Interessen der Arbeiter untereinander mehr Gemeinsamkeiten haben, als die eventuell sich überschneidenden Interessen der Arbeiter und der Kapitalisten.
In der marxschen Klassenkampftheorie geht das gut auf, auf der einen Seite die Kapitalakkumulateure, auf der anderen Seite die ausgebeuteten Habenichtse, eine schöne Dichotomie.
Solidarität heute
Aber schauen wir uns doch die heutige Situation an und prüfen, ob das noch Sinn ergibt. Beim aktuellen BVG Streik streikten Angestellte eines öffentlichen Unternehmens, ihr Streik behinderte nicht die Produktion von Waren, die der bestreikte Kapitalist nun nicht verkaufen kann, was seine Fähigkeit zur Akkumulation des Kapitals beschneidet. Der Streik behinderte die Nutzer des ÖPNV, die sind zwar Kunden des öffentlichen Unternehmens, aber nicht in dem Sinne, dass dieses Unternehmen einen Schaden erleidet, wenn ihm einen Tag oder auch zehn oder auch hundert die Fahrgäste abhanden kommen. Seine Existenz ist durch die Idee der Daseinsvorsorge ins Ewigliche eingeschrieben.
Aber das ist nur das konkrete Beispiel, auch in anderen Fällen ist die Überlegung der gemeinsamen Interessen der Arbeiter untereinander nicht mehr haltbar. Warum sollte ein Verkäufer bei Karstadt mit einem streikenden Lageristen bei Amazon, der die gleichen Privilegien, wie der Karstadt-Verkäufer will, solidarisch sein. Amazons Geschäftsmodell ist eine Bedrohung seines eigenen Arbeitsplatzes und der Lagerist ist ihm erst mal Feind und eine Verbesserung seiner Situation wünscht ihm der Verkäufer sicher nicht, er will ja nicht, dass der Gegner (Amazon) nun auch noch auf der Ebene der Arbeitsbedingungen attraktiver wird, weil das seine eigene Existenz nur um so mehr bedroht. Das Gleiche gilt für Arbeiter in Firmen, die um öffentliche Gelder buhlen, warum sollte der Arbeiter in der Garten- und Landschaftsgestaltungsfirma solidarisch sein mit dem Glasfaser-Kabelleger? Ihre Firmen ringen um begrenzte Geldmittel für öffentliche Aufträge, da ist es folgerichtig dem anderen keinen Erfolg zu gönnen und wenn dort gestreikt wird und das den Betrieb lahmlegt, dann sollten die Folgen verheerend sein, denn nur ein toter Konkurrent ist ein guter Konkurrent.
Alle gegen alle
Auch in der reinen Privatwirtschaft gilt das Gleiche, der kleine Zulieferer von VW hat kein Interesse daran, dass die VW Angestellten mehr Geld bekommen, so wird nämlich Inhouse-Arbeit wieder attraktiver und ein längerer Streik bei VW führt dazu, dass dort keine Autos gebaut werden, folglich keine Zulieferteile benötigt werden, also in Konsequenz eine Gefahr für den eingenen Arbeitsplatz, ohne, dass die Solidarität hier einen Vorteil liefern würde.
All diese Verkettungen, ein öffentlich monopolkapitalistischer Sektor der Daseinsvorsorge und eine disruptive Kraft, wie das Internet waren zu Marx Zeiten undenkbar, aber der Begriff Solidarität, ist in der heutigen Zeit mit mannigfaltigen Problemen bewachsen.
Wer ruft also noch nach Solidarität? Hier kommen wir zum interessanten Punkt an der Geschichte. Wer heute Solidarität einfordert, fordert sie im vollen Wissen ein, dass er verlangt, dass andere Verzicht zugungsten der eigenen Interessen üben muss. Der Bus fährt nicht? Da musst Du solidarisch sein. Deine Firma macht Pleite, weil die Streikenden die Lieferkette sprengen? Da musst Du solidarisch sein.
Metapolitische Trickbetrüger
Solidarität ist also nicht die Liebe der Völker, sondern der Enkeltrick von metapolitischen Trickbetrügern. Sei solidarisch mit mir, ich bin es dann bestimmt auch mit Dir und wenn es soweit ist, dann bin ich da wo meine Schäfchen nicht nur im Trocknen sind, sondern sich sonnen können und Du sitzt mit deinen Problemen alleine da.
Solidarität hat keinen Nutzen, sie richtet vielmehr Schaden an.
Die Frage, wer nach Solidarität ruft, habe ich aber bisher nicht beantwortet, es sind neben den Gewerkschaften, die sowieso nur am Eigenerhalt interessiert sind, vor allem die Intersektionalisten. Die queeren, braunen, kleinwüchsigen Transpersonen halten die Idee hoch , dass die gemeinsamen Interessen gegen “die anderen” (also die weißen Cis Männer) überwiegen. Jede Frau hat die gleichen Interessen, wie das verhundernde Aids Baby in Äthopien, beide sind sie Opfer des Patriachats, wie weiland der Arbeiter bei KPM und der Maschinenschlosser bei Siemens ausgebeutete Sklaven des Kapitals waren.
Identitätspolitik vs. Identitäre Idee
Das ganze nennt sich dann Identity Politics, eine Denkweise, die auf der Grundannahme der Unabdingbarkeit von Solidarität fußt. Die Idee von Solidarität ist der kulturmarxistische Unterbau jeglicher Identitätspolitik, hier wird ein (veraltetes) Konzept aus dem Frühkapitalismus genommen und in ein soziologisches Konstrukt überführt.Und nochmal zum Mitschreiben der Unterschied zwischen Identitätspolitik und Identitärer Metapolitik:
Identitätspolitik schneidet deine Wurzeln ab und reduziert dich auf Arbeiter, Frau, schwuler etc…die Identitäre Idee (https://www.identitaere-bewegung.de/blog/theorie/die-identitaere-idee/) läßt hingegen all dies und noch etwas anderes gelten, nämlich deine ganze Gestalt, bedingt durch Herkunft, Sprache und Tradition, egal ob du reich oder arm schwul oder hetero bist.
Da ich aber oben ausgeführt habe, dass nur Trickbetrüger Solidarität im Wirtschaftsleben einfordern, gilt das im politischen natürlich ganz genauso. Es hat seine Gründe, warum einer der Vorwürfe, die den identitätspolitischen Akteuren wieder und wieder gemacht wird ist, dass sie “Con Artists” seien. Wer Menschen in Gruppen einteilt, die durch eine (vorgebliche) Marginalisierung geprägt sind, der tut das, um diese Gruppen mit ihren unterschiedlichen Interessen gegeneinander und gegen die Mehrheitsgesellschaft auszuspielen und aus den daraus entstandenen Reibungen Kapital zu schlagen. Sei es in Form von Mitleidsspende, sei es in Form von monetär eingeforderter Solidarität.
Macchiavelli online und in Echtzeit
Ich schrieb oben etwas von der veränderten Situation durch die sozialen Medien, sie erlauben es Solidarität (symbolische Solidarität) ohne das Zeigen des eigenen Gesichts zu bekunden, sie ermöglichen aber deshalb auch Solidarität vorzugaukeln. Wo Solidarität nur ein Klick mit der Maustaste ist, heißt tausend Mal klicken mit tausend Stimmen zu rufen, auch wenn man allein im Zimmer sitzt, auch wenn man vielleicht sogar derjenige ist, der gerade streikt und seine engeforderte Solidarität gleich mal selbst durch ein zweites Twitter-Konto für sich selbst bekundet.
Solidarität ist heute immer Betrug, der Streikende, der Solidarität einfordert sollte sofort in seine Schranken verwiesen werden, er kann um Verständnis werben für seine Position, das ist legitim, aber wenn er kein Verständnis erntet, dann ist er dafür selber verantwortlich, er hat sein Anliegen nicht deutlich genug gemacht, oder war einfach zu gierig in seinen Forderungen.
Also, weg mit der Solidarität?